Steter Dienst für Notleidende
Halle: Caritasverband beging 60-jähriges Bestehen
Die Not, denen sich die 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbandes für die Stadt und das Dekanat Halle heute gegenüber sehen und der sie nach Kräften zu begegnen suchen, ist vielfältig. Sie reicht von Armut und Arbeitslosigkeit über die Probleme von Migranten bis hin zu Verhaltensstörungen bei Kindern und der Hilflosigkeit Rat suchender Eltern und Paare. Immer mehr Menschen finden sich zudem nicht mehr in den Zuständigkeiten und Strukturen im Umgang mit Behörden zurecht, von denen sie Hilfe brauchen.
Vielfältige materielle und seelische Not gab es auch nach dem Zweiten Weltkrieg, als in Mitteldeutschland viele Bewohner Hunger litten, liebe Menschen verloren hatten oder vermissten und zusätzlich eine große Zahl Heimatvertriebener in der Stadt einquartiert waren, die mit nichts als dem, was sie am Körper trugen, gekommen waren. Ab 1946 übernahm es Fürsorgerin Eleonore Goebel, die zuvor schon vor allem durch Ordensleute organisierten Hilfeleistungen zu koordinieren und zusätzliche Hilfe zu schaffen. So gibt es seit nunmehr 60 Jahren ununterbrochen die Caritas in Halle.
"Unter dem Motto "Verwoben in die soziale Geschichte …" haben Vorstand, Mitarbeiter, Ehemalige und zahlreiche Gäste mit einem festlichen Tag am vergangenen Samstag dankbar auf die vielen Jahre des Engagements für Menschen in Not zurückgeschaut.
Im Festgottesdienst in der Kirche Heilig Kreuz stand das Gleichnis Jesu vom Weinstock. Die vielfältigen Hilfsangebote der Caritas wurden deshalb bildlich zu einer Traube zusammengefügt. Dechant Dietrich Letzner sagte in seiner Predigt, die Dienste machten die Liebe Gottes zu den Menschen sichtbar. Jeder, der einen solchen Dienst ausübt, müsse sich aber auch um eine gute Verbindung zu Christus mühen, damit der Dienst gelingt. Zum Abschluss des Festtages feierten Mitarbeiter und Gäste mit Bischof Gerhard Feige eine Andacht. Feige unterstrich, dass das Christentum seit jeher mit der praktizierten Nächstenliebe verbunden ist.
Gründung der Caritas 1946 war Reaktion auf große Not
Winfried Weber, seit 1993 Geschäftsführer des Caritasverbandes Halle, ließ beim Festakt die Geschichte Revue passieren. Schützen, Fördern und Helfen sei von Anfang zentrales Anliegen der Caritas gewesen. Er erinnerte daran, dass bereits 1924/25 Caritasarbeit in Halle nachzuweisen ist. Vorher waren es vor allem die Orden, aber auch engagierte Seelsorger und Gemeindemitglieder, die den Armen halfen. Mit der großen Not nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Einsatz von Eleonore Goebel sei dann ein eigenständiger Caritasverband für den südlichen Teil des Erzbischöflichen Kommissariates Magdeburg entstanden, dessen erster Caritasdirektor Prälat Franz Wüstefeld wurde. Ein Schwerpunkt der Arbeit sei die Verteilung der Auslands- und der Carepakete sowie der Vatikanspenden gewesen. 1950 erfolgte die Teilung in den Caritasverband für das Dekanat Halle und den für die Stadt Halle. Im südlichen Teil des Dekanates wirkte ab 1954 Egbert Antkowiak, der Studentenpfarrer Adolf Brockhoff ab 1966 die Ehe- und Familienarbeit im Dekanat Halle aufbaute, wie Winfried Weber berichtete. Weitere Felder der Caritasarbeit waren Erholungsfürsorge, Körperbehindertenarbeit, Blinden- und Gehörlosenarbeit sowie die Anleitung und Begleitung der Caritas-Helfer-Gruppen.
1990/91 setzte sich die Caritas mit den Herausforderungen der neuen Situation auseinander: Erste Schritte waren die Eröffnung einer Schwangerenberatung, die Wiedereröffnung der Bahnhofsmission in ökumenischer Trägerschaft und die Bildung von Sozialstationen in eigenständigen Rechtsstrukturen. 1992 erfolgte die vereinsrechtiche Gründung des Caritasverbandes für die Stadt und das Dekanat Halle.
In der Sorge um die Menschen am Rande der Armut sei 1997ein Carisat-Laden und 1999 der Sozialen Beratungsdienst Silberhöhe "als sinnvolle Einheit von Beratung, Aktivierung und Alltagshilfe" eingerichtet worden, wie Weber sagte. Dieses Engagement lobt auch Bürgermeisterin Dagmar Szabadosz in ihrem Grußwort.
Nötig sind Ehrenamtliche und professionelle Fachleute
"Jedes Quartal bieten wir fünf oder sechs Sprachkurse für Migranten an", so Weber zu einem weiteres Arbeitsfeld. Kommunikation sei schließlich "ein menschliches Grundrecht. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen erst dann die Möglichkeit zum Erlernen der Landessprache gegeben wird, wenn sie einen Aufenthaltsstatus haben."
Wichtiger Aspekt der Arbeit als Caritas in der Region Halle sei das Einwerben von Spenden, so Weber. "Angesichts immer knapper werdender kirchlicher und öffentlicher Mittel und der Erkenntnis, dass Wohlfahrtspflege eben nicht von selbst funktioniert, bedarf es des großen Herzens von Unternehmern und Privatpersonen, die auf dem Hintergrund ihrer Mittel den Schluss ziehen: Ich gebe mein Scherflein", sagt der Geschäftsführer. Die Finanzierung sei natürlich vor allem sein Metier. Dabei wolle er nicht unerwähnt lassen, dass etliche Mitarbeiter in den letzten Jahren auf ihnen zustehende Tarifbestandteile verzichtet haben, um dazu beizutragen, viele Dienste der Caritas zu erhalten.
Hinsichtlich der Mitarbeit Ehrenamtlicher ist Weber sehr froh, dass über 60 aktive ehrenamtliche Helfer ihre Tatkraft einsetzen. Zugleich weiß der Geschäftsführer aber auch: "Mit der Komplizierung unserer Gesellschaft gibt es immer mehr Arbeitsfelder, in denen Ehrenamtliche überfordert sind", in denen es etwa juristischer Detailkenntnisse bedarf.
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Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 15.09.2006