Bistum Görlitz
Der finanzielle Druck wächst
Das Freiwillige Soziale Jahr wird in Zukunft auch über die Anzahl von Fachkräften entscheiden
Cottbus - Rund 70 Jugendliche haben ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Caritas im Bistum begonnen. Den freien Trägern fällt es jedoch immer schwerer, die Projekte zu finanzieren. Der Tag des Herrn sprach darüber mit Caritas- Personalreferent Matthias Schmidt. Herr Schmidt, welche Bedeutung hat das Freiwillige Soziale Jahr?
- Das Ganze beruht auf gesetzlichen Grundlagen, die der Bund vorgibt. Die Caritas im Bistum Görlitz hat Mitte der 1990er Jahre damit angefangen, weil es uns wichtig war, jungen Menschen sowohl eine persönliche als auch eine berufliche Orientierung zu geben. Außerdem sollten soziale Kompetenzen gestärkt werden. Ein wichtiger Baustein im FSJ ist die Freiwilligkeit. Junge Menschen erleben das positive Gefühl helfen zu können.
Es gibt einen Bildungsanteil sowie einen praktischen Teil. Die Jugendlichen werden in den Einrichtungen, in denen sie tätig sind, durch Mentoren begleitet. Der theoretische Teil dauert etwa fünf Wochen und vermittelt allgemeine Kenntnisse, zum Beispiel zum Thema Sterben und Tod. Ja, das FSJ hat eine wichtige Bedeutung, für die Gesellschaft, für die Einrichtungen, für die jungen Menschen selbst.
- Die Wohlfahrtsverbände haben lange vor der Politik darauf aufmerksam gemacht, dass es aufgrund der demographischen Entwicklung in Zukunft einen Mangel an Fachkräften geben wird. Deshalb müssen wir sehen, dass wir junge Menschen für soziale Berufe begeistern können. Wir haben zudem festgestellt, dass die Bewerber bei der Caritas irgendwann einmal ein FSJ gemacht haben. Durch den freiwilligen Dienst wird die Bereitschaft, eine sozialen Beruf zu ergreifen, zumindest gefördert.
- Quantitativ betrachtet muss man unterscheiden zwischen den zur Verfügung stehenden Stellen und den Menschen, die ein freiwilliges Jahr absolvieren wollen. Wir beobachten von Anfang an eine enormes Interesse am FSJ. Ungefähr 500 Anfragen im Jahr erreichen uns. Denen stehen etwa 70 Stellen gegenüber. Wir erleben zurzeit, dass die Anzahl der Plätze leicht rückläufig ist beziehungsweise eine Verschiebung stattfindet.
- Der finanzielle Druck auf die Träger wächst. Vor allem zuwendungsfinanzierte Dienste können die Eigenmittel für die FSJler nicht mehr aufbringen. Oft wird jedoch in diesen Bereichen die Hilfe der Jugendlichen besonders gebraucht. Der größte Rückgang ist im Kita-Bereich zu verzeichnen. Gern würden wir in den Bereichen der Kontaktstellen für psychisch Kranke oder der Aussiedlerbetreuung mehr Stellen anbieten.
- Wir wollen einfach dazu anregen, dass man auch in der Politik – besonders in Brandenburg – noch einmal grundsätzlich über die Finanzierung dieser wichtigen Dienste nachdenkt. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu bieten. Neben Qualifizierungsmaßnahmen ist deshalb zu überlegen, ob nicht auch das FSJ als ein solcher Baustein der Berufsfindung gesehen werden könnte. Abgesehen vom enorm steigenden Bedarf an qualifizierten Pflegekräften in den nächsten Jahren, könnte man durch eine gezielte Förderung einen wirksamen Beitrag zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit leisten.
Interview: Andreas Schuppert
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 39 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 03.10.2006
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 03.10.2006