Was den Glauben wachsen lässt
Kirchengeschichte ist Glaubensgeschichte – 100 Jahre St. Marien Dresden-Cotta
Joachim Windolph hat sein fast 80-jähriges Leben – mit Ausnahme eines Soldatenjahres – komplett in Dresden-Cotta verbracht. Beim Festakt zum Kirchweih-Jubiläum am 30. September gab er seinen Zuhörern anhand persönlicher Kindheits- und Jugenderinnerungen einen geistlichen Rückblick und zog dabei immer wieder auch Verbindungen zur heutigen Gemeindesituation. Unter anderem erzählte er, wie er selbst in die Gemeinde hineinwuchs. So sei er als Junge oft beeindruckt gewesen vom Glauben anderer Gemeindemitglieder. Noch immer habe er die "erregt zitternden Hände" der alten Männer vor Augen, die bei der Fronleichnamsprozession den Baldachin tragen durften, oder die Kriegswitwe, die ihre gelähmte Tochter im Rollstuhl jeden Sonntag den mühseligen Weg zur Kirche hochschob.
Schwer sei es ihm gefallen, in den lateinischen Messen seiner frühen Kindheit einen Zugang zum Gottesdienstgeschehen zu bekommen. Erst der Ministrantendienst habe ihm einen Weg eröffnet. Er sei froh darüber, dass kleine Kinder heute die Möglichkeit haben, durch Gottesdienste parallel zum Wortgottesdienst erst einmal die Freude an der kirchlichen Gemeinschaft entdecken zu können und dass auch Mädchen heute die Chance haben, Ministrantinnen zu werden. Auch heute müsse sich die Gemeinde verantwortlich dafür fühlen, dass der Nachwuchs in die Gottesdienstgemeinschaft hineinwächst: "Wenn das nicht geschieht, dann muss uns das betroffen machen", betonte Joachim Windolph.
Schwer sei es für Jugendliche seines Alters gewesen, die Erlebnisse des Krieges zu verarbeiten und nach dem Kriegsdienst wieder in die Gemeinde zurückzufinden. Der damalige Cottaer Kaplan Johannes Vogt habe es auf unnachahmliche Weise verstanden, inmitten von Trümmern wieder Begeisterung und Vertrauen zu wecken: "Wir haben damals wirklich Pfingsten erlebt", sagt er über eine Zeit, die seine Generation nachhaltig geprägt hat.
Eine ganze Festwoche lang nutzten ehemalige und heutige Gemeindemitglieder die Gelegenheit, gemeinsam Erinnerungskultur zu pflegen. Unter anderem gab es eigene Gottesdienste für Kolpingmitglieder, für Ehepaare, die in der Marienkirche geheiratet haben und für alle, die zur Pfarrjugend gehören oder einmal gehört haben. Der Festgottesdienst mit Bischof Joachim Reinelt am 1. Oktober war Höhepunkt der Festwoche und zugleich Abschluss einer umfassenden Kirchensanierung. Bei der Gelegenheit wurden die Reliquien von sechs Heiligen in den Altar eingelassen. Erst kürzlich war aufgefallen, dass man bei der Umgestaltung der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vergessen hatte, die Reliquien in den neuen Altar zu übertragen.
Seit 1991 wird die Gemeinde, zu der mehr als 1000 Mitglieder gehören, von Steyler Missionaren seelsorglich betreut. Für die nahe Zukunft ist geplant, die Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden Freital, Dresden-Plauen und Löbtau weiter auszubauen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 05.10.2006