Versöhnung bleibt Aufgabe
Bundestreffen der Ackermann-Gemeinde in Erfurt
Der Beitrag, den die Ackermann- Gemeinde zur Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen nach dem Zweiten Weltkrieg geleistet hat, ist unbestritten. So ist es kein Wunder, dass dieses Engagement auf der 30. Bundestagung der Ackermann-Gemeinde, die am vergangenen Wochenende in Erfurt stattfand, vielfältige Anerkennung fand. So hob beispielsweise Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) hervor, die Ackermann-Gemeinde leiste einen wichtigen Beitrag für die Vermittlung von Werten, die für den Staat unverzichtbar seien. Menschenrechte und Menschenwürde nannte Althaus als Beispiele für solche Werte, die für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Europa unverzichtbar seien.
Versöhnung in Europa und in der Welt
Auch der Erfurter Bischof Joachim Wanke dankte den Mitgliedern der Ackermann-Gemeinde, dass sie am Ziel der Versöhnung festgehalten haben. Zugleich verwies er auf die heutige Bedeutung des Themas Versöhnung: "Die Völker Europas können ihre Zukunft nur sichern, wenn sie auf Gewalt verzichten und der Wahrheit Raum geben", sagte er. Außerdem gelte: "Heute weitet sich der Horizont auf eine Versöhnung der Kulturen und Religionen weltweit."
Das Lob, das in diesen und anderen Grüßen während der Bundestreffens zum Ausdruck kam, wurde von den Mitgliedern der Ackermann-Gemeinde dankbar entgegengenommen. "Es ist eine Bestätigung für unser langjähriges qualifiziertes Wirken", sagte die stellvertretende Vorsitzende Dorothea Schroth. Immerhin kann die Ackermann-Gemeinde inzwischen auf eine 60jährige Tätigkeit zurückblicken. Sie war 1946 nach der Vertreibung von katholischen Sudetendeutschen gegründet worden.
"Versöhnung leben – Frieden gestalten" hieß das Thema. Der Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde Adolf Ullmann verwies besonders auf die Wichtigkeit des Lebens der Versöhnung: "Von Anfang an ging es uns nicht nur darum, Versöhnung zu erklären, sondern zu leben. Den Worten der Versöhnung muss durch Taten Glaubwürdigkeit verliehen werden." In diesem Sinn habe die Ackermann-Gemeinde an den Versöhnungsinitiativen der Bundesrepublik in Richtung Osteuropa, besonders in Richtung Tschechien mitgewirkt. Dabei ging es um materielle Hilfe und um das Aufrechterhalten menschlicher Bindungen, besonders wichtig in kommunistischer Zeit.
Das 60-jährige Bestehen sei Anlass, sich zu erinnern, aber auch sich nach vorne zu orientieren, sagte Ullmann. Übrigens fand er beim Blick zurück auch anerkennende Worte für das Engagement der katholischen Kirche in der DDR für ihre Glaubensgeschwister in der damaligen Tschechoslowakei. Ullmann nannte als ein Beispiel die Priesterweihen, die Tschechen in Erfurt und anderen Orten geheim gespendet worden sind. Mit Tomas Halik von der Christlichen Akademie in Prag war ein solcher Geheimpriester, der 1978 von damaligen Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck in dessen Privatkapelle geweiht worden war, beim Erfurter Treffen anwesend.
Priorität hat der Blick auf Gegenwart und Zukunft
"Der Blick auf das Vergangene gehört dazu. Die Priorität liegt aber beim Blick auf die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft", betonte Ullmann weiter. Für eine Gemeinschaft wie die Ackermann-Gemeinde ist eine solche Orientierung geradezu überlebensnotwendig, denn allmählich vollzieht sich ein Generationswechsel: An die Stelle derer, die nach dem Zweiten Weltkrieg direkt von der Vertreibung betroffen waren, treten jetzt deren Kinder und Enkel. Das zeigte sich nicht nur an der altersmäßigen Zusammensetzung der rund 400 Teilnehmer des Erfurter Treffens. Auch das Programm machte den Willen zu einer solchen Neuorientierung deutlich: Wie aktuell das Thema "Versöhnung" auch im heutigen Europa ist, zeigte beispielsweise eine Podiumsdiskussion zu "Brennpunkten europäischer Nachbarschaften – Realität und Vision". Am bedrückendsten waren wohl die Erfahrungen, von denen der katholische Bischof von Banja Luka (Bosnien- Herzegowina) Franjo Komarica berichtete, dessen Überleben im Jugoslawienkrieg von den Krieg führenden Parteien eigentlich nicht vorgesehen war, wie er berichtete. Er setzte sich während der ethnischen Säuberungen für die Menschenwürde und die Menschenrechte von Katholiken, Orthodoxen und Muslimen gleichermaßen ein.
Wie sehr gerade die Christen im Zusammenhang mit der Versöhnung gefordert sind, zeigte die Religionsphilosophin Hanna- Barbara Gerl-Falkovitz. In der modernen Philosophie gebe es eine Strömung, die in der Folge des Holocaust von einer Schuld spreche, die unvergebbar sei. Dem setzte sie entgegen, dass es gerade das Unverzeihliche sei, das der Vergebung bedürfe. Diese Vergebung könne aber letztlich nur von Gott gewährt werden. Deshalb sei Religion kein Luxus, sondern gehöre zur Kultur. "Europa hat den Platz für diesen Raum der Vergebung freizuhalten", forderte Gerl-Falkovitz. Und hier wird die Ackermann- Gemeinde auch künftig ihren Beitrag leisten können.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 12.10.2006