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Bistum Görlitz

Wohin "Mein Kampf" führte

Der Görlitzer Klaus Wilmes erstellte für den Unterricht eine Quellensammlung zu Hitlers Gedanken

Klaus Wilmes. Görlitz - Wie konnte es zur Katastrophe des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges kommen? Der Görlitzer Katholik Klaus Wilmes will mit einer Quellensammlung zu Hitlers "Mein Kampf" eine Antwort geben.

Einen Riss weist der schwarze Ledereinband auf. "Das ist es. Meine Eltern haben das Buch 1935 zur Hochzeit bekommen", zeigt Klaus Wilmes (67) auf Hitlers "Mein Kampf". Wie viel Hass wütet darin! "Eine Anleitung zum Untergang", steht auf Klaus Wilmes Quellensammlung. Der frühere Gymnasiallehrer für Geschichte, politische Wissenschaften und Sport hat sie für Lehrer in Mittelschulen und Gymnasien erstellt.

Eine Zitatsammlung für den Unterricht. Geprägt von Originalaussagen Hitlers, Zeitzeugenberichten und Chronologien. Eine Hilfe zur Auseinandersetzung und Diskussion. Ein namhafter Verlag prüft jetzt das Manuskript für die Veröffentlichung. "Wie hat Hitler seine Aussagen aus ,Mein Kampf‘ umgesetzt ?," fragt Klaus Wilmes. "Wer half ihm? Und was wäre, wenn Hitler heute an der Macht wäre? Wo würden junge Leute – gerade auch aus der rechten Szene – landen, wenn sie zum Beispiel Alkoholprobleme haben?" Erziehungsanstalt und bei schwerem Alkoholismus sogar Sterilisation waren damals üblich. Die Aufklärung über die NS-Ideologie und ihre verheerenden Folgen liegt dem Görlitzer am Herzen.

Aus dem Sauerland stammt er. Der Vater fiel 1943 im Russlandfeldzug. Die heimische Wohnung in Attendorn (Nordrhein-Westfalen) wurde kurz vor Kriegsende zerstört. "Wir mussten nach Brilon umziehen", entsinnt sich der heutige Pensionär. Klaus Wilmes lernte eifrig. Er wollte Lehrer werden, "... damit die Kinder auch mal einen freundlichen Lehrer bekommen", witzelt er. Die NS-Zeit, so erzählt er, spielte im Geschichtsunterricht in Westdeutschland in den ersten Nachkriegsjahren keine Rolle. "Viele Lehrer haben sich einfach gescheut. Der Lehrplan hat es nicht thematisiert."

Umso mehr wollte er später als Lehrer für Geschichte, politische Wissenschaften und Sport aufklären helfen über die Nazi-Verbrechen. 1970 bis 1984 unterrichtete Klaus Wilmes am Petrinum-Gymnasium Brilon. Danach lehrte er 20 Jahre im Gymnasium Steglitz Berlin. Im Rahmen der Leistungsund Grundkurse für Politische Weltkunde behandelte er das Thema. Klaus Wilmes verwendete oft Originalzitate. Mit Filmdokumenten regte er zur Diskussion an. Von Zeit zu Zeit besuchte er Ausstellungen mit den Schülern. Er ließ sie viel selbstständig arbeiten. Das mündete oft in Referaten. "Mir war immer wichtig, die Schüler zum selbständigen Denken und zur Kritikfähigkeit zu erziehen Sie sollten sich aus Quellen ihre eigene Meinung bilden", erzählt er. Oft hat er mit den Schülern über den Holocaust geredet. Ganz wichtig war ihm der Film "Schindlers Liste".

Eingängig befasst sich die Quellensammlung mit Hitlers Schritten bis zur totalen Machtergreifung, mit seiner Rassenlehre, etwa den "zehn Geboten zur Gattenwahl" und dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion. Sie geht ein auf den "schwarzhaarigen Judenjungen, der dem ahnungslosen deutschen Mädchen auflauert". Sie belegt mit etlichen Zitaten Hitlers Vorhaben zur Beseitigung behinderter Menschen.

In der Quellensammlung tun sich viele Parallelen zum Rechtsextremismus heute auf. "Man kann dem nur Herr werden, wenn man frühzeitig mit der Auseinandersetzung beginnt", meint Klaus Wilmes. "Mit dem Verbot von rechtsextremen Parteien ist es schwierig. Hier kann man nur etwas ändern, wenn sich die Einstellungen ändern. Vor allem die der Eltern." In Görlitz, wo er seit 2004 mit seiner Frau Monika lebt, engagiert sich der Katholik im Förderkreis Synagoge. Hier hilft er bei Führungen, beim Organisieren von Ausstellungen, Lesungen und Spendenaktionen. Auch in Görlitz gibt es rechte Tendenzen. So zogen am 2. Oktober 2005 etwa 80 Neonazis durch die Stadt. Sie marschierten in Richtung Altstadtbrücke und wollten auch die Grenze nach Polen überqueren. Die Gegendemonstranten – unter ihnen viele Christen – haben es verhindert.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 44 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 01.11.2006

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