Christentum war attraktive Religion
Kirchenhistoriker Pilvousek: Christianisierung Mitteldeutschlands ging oft mit Eroberungen einher
Gleich zu Beginn seines Vortrages verwies Josef Pilvousek auf die Ausstellung "1000 Jahre Taufen in Mitteldeutschland". Der Kirchenhistoriker von der Theologischen Fakultät der Universität Erfurt lobte zunächst den Ausstellungskatalog, an dem sich sein Vortrag fast wörtlich orientiere. Anschließend nahm der Hochschullehrer die 60 Zuhörer, unter ihnen auch Magdeburgs Bischof Gerhard Feige, mit auf einen rund einstündigen Ritt durch das für die Historiker noch mit vielen Fragezeichen behaftete frühe Mittelalter.
Ausgangspunkt der Reise in die Zeit der Christianisierung Mitteldeutschlands bildete die Völkerwanderung in Europa ab dem dritten Jahrhundert. Schon bei diesem geschichtlichen Großereignis sei sich die Wissenschaft über die genaue Ursache noch im Unklaren, so Pilvousek. "Wir arbeiten im Folgenden also mehr mit Hypothesen und Annäherungen."
Ziemlich sicher ist, dass sich im Gebiet des heutigen Thüringens und südlichen Sachsen-Anhalts germanische Stämme mit dem hier schon lebenden Stamm der Hermunduren vermischten. Sie bildeten zusammen ab dem vierten Jahrhundert die Thüringer und beherrschten im fünften Jahrhundert ein riesiges Königreich von der Elbe bis an die Donau.
Ordensleute machten mit dem christlichen Glauben bekannt
Bis zum Jahr 531 hatten die meist heidnischen Thüringer nur wenig Kontakt mit dem Christentum. In jenem Jahr allerdings unterlagen sie in einer wichtigen Schlacht den Franken, die bereits dem christlichen Glauben anhingen. Die Franken kontrollierten fortan den Großteil des Thüringerreichs und forderten nun von den Unterlegenen, ihren neuen Glauben zu übernehmen. Heidnische Riten und Bräuche wurden unter Strafe gestellt.
Nach einer Zeit der oberfl ächlichen und unsystematischen Christianisierung zogen im achten Jahrhundert schließlich Mönche wie Willibrord und Bonifatius missionierend durch Mitteleuropa, die den christlichen Glauben in der Bevölkerung vertiefen konnten. Dies gelang besonders durch die Gründung von Klöstern, wie 725 in Ohrdruf, der ersten Klostergründung in Thüringen. "Wichtig in der Wirkung waren dann vor allem die Orden, also das Umfeld von Klöstern, sowie die sozialen Leistungen der Kirche", hob Pilvousek beispielsweise die Benediktiner hervor. "Die großen Kulturleistungen wie Lesen und Schreiben machten das Christentum außerdem zu einer attraktiven Religion", so der Erfurter Universitätsprofessor. Mit der Gründung des Bistums Erfurt 742 war die Christianisierung in Thüringen dann vorerst vollendet.
"In einigen Fällen war die Christianisierung aber auch ein blutiges Unternehmen", veranschaulichte Pilvousek das am Beispiel der Sachsen. Der germanische Volksstamm im Norden und Nordwesten des heutigen Deutschlands war von der Christianisierung durch die Franken lange Zeit unberührt geblieben. Erst im achten Jahrhundert verstärkten die Franken ihre Bemühungen, die Sachsen zu unterwerfen und zu bekehren.
Nach Ansicht von Pilvousek habe zunächst die Eroberung der Gebiete im Vordergrund gestanden. Die Christianisierung sei im Anschluss daran als Mittel der Eingliederung der Sachsen ins Reich zu verstehen gewesen. "Deshalb wurde aus einem Kriegszug ein Missionszug", fasste der Kirchenhistoriker die über 30 Jahre dauernden "Sachsenkriege" von Karl dem Großen zusammen. Die Kapitulation der Sachsen brachte für die Unterlegenen ein Gesetz zur Christianisierung mit sich, das bei Nichtbeachtung der christlichen Reichsordnung mit der Todesstrafe drohte.
Der Eroberung folgte die Mission
Auf diesem rigorosen Weg kam es bei den Sachsen, nördlich des Harzes und westlich der Elbe, zur Einführung des christlichen Glaubens. Und auch östlich der Saale, im Gebiet der Slawen, bildeten Eroberungszüge die Grundlage der Christianisierung, bevor im zehnten Jahrhundert Bistümer wie Meißen und Zeitz gegründet werden konnten.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 01.11.2006