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Aus der Region

Das Herz für Fremde weiten

Caritas-Beraterin Angela Gomon-Voit wünscht sich mehr Offenheit für Zuwanderer und Flüchtlinge

Während sich Angela Gomon-Voit (rechts) mit ihren Mitarbeitern Jabar Maytham und Tetyana Moshkevych im Chemnitzer Café International besprach, feierten ehrenamtliche Helfer mit muslimischen Kindern das Ende des Fastenmonats Ramadan. Chemnitz - "Ein verbessertes Miteinander von Deutschen und Zuwanderern" hat die Caritas im zu Ende gehenden Jahr als Anliegen in den Blick der Öffentlichkeit gerückt. Caritas- Beraterin Angela Gomon- Voit erlebt fast täglich, wie schwer Ausländern die Integration nach wie vor gemacht wird.

"Nicht die Zuwanderer sind es, die ihre Hausaufgaben nicht machen, sondern die Einheimischen", sagt Angela Gomon-Voit, die seit vielen Jahren die Migrationsdienste der Caritas im Dekanat Chemnitz leitet. Auch wenn es in der Stadt Chemnitz ein Integrations-Netzwerk gibt, das sie für vorbildlich hält, leiden auch hier Ausländer unter der rigiden Anwendung der Gesetze, die es ihnen fast unmöglich macht, vor Ort Arbeit zu finden. Selbst Juristen, Ärzte und andere topqualifizierte Arbeitskräfte werden erst einmal in eine lange Warteschleife geschickt, bedauert sie.

In der Bevölkerung schlägt Zuwanderern häufig Desinteresse entgegen. Wer einen ausländischen Partner heiratet, muss sich auf gedankenlose und verletzende Bemerkungen gefasst machen. "Sie haben wohl keinen Einheimischen abbekommen?!", hörte eine Frau beispielsweise auf dem Standesamt. Auch von den Christen würde sich Angela Gomon-Voit mehr Unterstützung für Migranten wünschen.

Sie selbst hat ehrenamtlich mit dem Engagement für Zuwanderer und Flüchtlinge begonnen, als sie noch als Gemeindereferentin arbeitete. Die Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen empfindet sie immer wieder als bereichernd: "Ich habe durch meine Arbeit tolle Leute kennengelernt". Bewundernswert findet sie beispielsweise die Stärke vieler Asylbewerber, die ihren Lebensmut bewahren, obwohl sie seit Jahren ohne Privatsphäre in Gemeinschaftsunterkünften leben und obwohl sie mit einem Monatsbudget auskommen, das 30 Prozent unter dem deutschen Bürgern zugebilligten Existenzminimum liegt. Bei den Hilfesuchenden, die zu ihr in die Beratung kommen, geht es mit der Frage "Bleiben-Dürfen oder Abgeschoben- Werden" oft um Leben oder Tod. Die eigenen Probleme relativieren sich dabei, stellt die Caritas- Mitarbeiterin immer wieder fest.

Nicht immer gelingt es ihr, die Schicksale derer, für die sie sich einsetzt, nach Feierabend hinter sich zu lassen. Oft wandern ihre Gedanken etwa zu der jungen Tschetschenin, die im August mit einer Gruppe von Landsleuten auf einem Parkplatz in Auerswalde aufgegriffen wurde. Im Krankenhaus nahm Angela Gomon-Voit gemeinsam mit einer Dolmetscherin Kontakt zu der hochschwangeren Frau auf und hörte ihr erst einmal lange zu. Erst als die Tschetschenin erfuhr, dass ihr Mann und ihr älteres Kind in Sicherheit waren, schaffte sie es, ihr Baby zur Welt zu bringen. Die Flüchtlingsgruppe sollte nach Polen zurückgeschickt werden. Der Caritas-Mitarbeiterin gelang es, für das Neugeborene und seine Familie einen Aufschub zu erwirken. Noch ehe sie diese positive Nachricht übermitteln konnte, war die Familie aber bereits untergetaucht. "Wie mag es dem Baby und seiner Mutter gehen?", fragt sich Angela Gomon- Voit. Dass sie für jemanden nicht nur ein "Fall" sind, kommt bei den Klienten an. "Hier bin ich zum ersten Mal, seit ich in Deutschland lebe, als Mensch behandelt worden", hat die Chemnitzer Beraterin schon öfter gehört, und mancher spart sich das Geld für einen Dankeschön-Blumenstrauß vom Mund ab.

Angela Gomon-Voit ist nicht nur für die Beratungsstelle verantwortlich, sie koordiniert auch die anderen Angebote der Chemnitzer Caritas für Migranten. Eines davon ist das Café International, eine Begegnungsstätte für Flüchtlinge, unweit von Sachsens zentraler Aufnahmestelle für Asylbewerber gelegen. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen empfinden das Café als zweites Zuhause. Sie bekommen hier nicht nur einen heißen Kaffee und konkrete Tipps für den Alltag, sie erfahren Herzlichkeit und Annahme, erzählt die Ukrainerin Tetyana Moshkevych, die seit kurzem mit dem Iraker Jabar Maytham im Café arbeitet. Das enge Miteinander mit Juden, Muslimen und Christen unterschiedlicher Konfessionen mache "ein weites Herz", sagt die Ukrainerin. So empfindet es auch Angela Gomon-Voit. Die Dienstberatungen beginnt sie meist mit einem besinnlichen Impuls, der auch die jüdischen und muslimischen Kollegen nicht ausschließt. Kürzlich haben sich alle auf dem Hintergrund ihres jeweiligen Glaubens über die jüngste Papstenzyklika ausgetauscht.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 09.11.2006

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