Ein Stück St. Severi für daheim
Einmaliges sakrales Bauensemble auf dem Domberg erstrahlt bald in neuer Schönheit
"Kirche und Türme bewegten sich voneinander weg. Anders als im Dom fehlt an der St. Severikirche ein stützender Chor. Und auch die Türme selbst drifteten immer weiter auseinander", berichtet Erfurts Dombaumeister Andreas Gold. Die Folge dieser Veränderungen wäre irgendwann der Einsturz gewesen, der übrigens mit jedem Glockenläuten wahrscheinlicher wurde. Liegt doch die Frequenz der Glocke "Alte Martha" genau auf der Frequenz der Kirche. Als dies im August 2005 klar war, wurde das Läuten sofort gestoppt.
Treppenturm wird neu hochgezogen
Andreas Gold berichtet im Rahmen einer Pressekonferenz über die verschiedenen Maßnahmen, die die Severikirche retten werden. Wie schon beim Dom sollen Edelstahlanker die auseinanderdriftenden Gebäude- und Turmteile halten. Und um die Frequenz der Glocken zu verändern wird unter anderem der Stahlglockenstuhl gegen einen hölzernen ersetzt.
Besondere Sorgen bereitet Dombaumeister Gold der so genannte Treppenturm. Er wurde nachträglich geschaffen, um einen Zugang zum Dachboden der spätmittelalterlichen Kirche zu schaffen. Stabil gehalten wurde der Turm durch eine steinerne Wendeltreppe. Diese wurde im Zweiten Weltkrieg durch eine Granate beschädigt und die Lücken später mit Holzstufen geflickt, was zur Folge hatte, dass der Turm seine Stabilität verlor und nach außen abzurutschen drohte. Jetzt wird der Turm bis zur Schadensstelle abgetragen und zusammen mit der Wendeltreppe neu hochgezogen. Doch vor Beginn der Bauarbeiten muss die Turmspitze mit einem Schwerlastkran abgehoben werden.
Alle Bauarbeiten an der Severikirche sollen zur großen Elisabethwallfahrt im September kommenden Jahres abgeschlossen sein. Ziel, so Andreas Gold, war es zudem, in Zusammenarbeit mit der Stadt Erfurt das einzigartige Ensemble des Domberges zu sanieren und für die Zukunft zu erhalten.
Die ehemalige Stiftskirche St. Severi war die Kirche eines Kanonikerstiftes gleichen Namens, das nach der Regel des heiligen Augustinus lebte. Nachdem der Vorgängerbau baufällig geworden war, wurde ein Neubau ins Auge gefasst, der von zahlreichen deutschen Bischöfen unterstützt wurde. Am 25. August 1308 war es schließlich soweit, der Weihbischof des Erzbistums Mainz, Berthold von Henneberg, konnte den Hochaltar weihen.
Belastungen im Lauf der Geschichte
Mit den derzeitigen Restaurierungsarbeiten erhält der Bau übrigens auch die Marienkapelle zurück, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts an der Nordseite der Kirche angebaut wurde. Es ist angedacht, in ihr die Möglichkeit zur stillen Anbetung zu schaffen.
Im Laufe der Zeit wurde die Severikirche immer wieder schweren Belastungen ausgesetzt. So blieb sie 1472 beim Stadtbrand nicht verschont, wurde aber bis zum Ende des 15. Jahrhunderts wieder aufgebaut. Während der Besetzung durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg wurde der Hochaltar abgebrochen und auch die Franzosen machten 1813 keinen Bogen um das Gotteshaus, es diente als Militärlazarett. Zehn Jahre zuvor – 1803 – wurde das Kollegiatstift im Zuge der Säkularisation aufgelöst. Heute ist die Pfarrgemeinde von St. Severi mit der Domgemeinde verbunden. Gemeinsamer Seelsorger ist Dompfarrer Christian Gellrich.
Andreas Gold ist sich sicher, dass die Severikirche für lange Zeit gesichert werden kann. Und wer ein Stück davon mit ins eigene Heim nahmen möchte, hat dazu bald die Gelegenheit. Wie schon beim Mariendom werden auch die Bohrkerne von St. Severi verkauft. "Diesmal vielleicht nicht als Kerzenständer. Wir müssen mal sehen, vielleicht entstehen ja mal Briefbeschwerer", meint der Dombaumeister.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 09.11.2006