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Aus der Region

Die Angst vor dem Banalen

Thüringer Bischöfe zum Elisabeth-Jahr

Die Sorge vor einer möglichen Banalisierung Elisabeths im Jubiläumsjahr war ein Thema eines Hintergrundgesprächs mit Bischof Joachim Wanke und Landesbischof Christoph Kähler am 1. Dezember in Erfurt.

"Elisabeth ist eigentlich eine Heilige der Jugend. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie schon mit 24 Jahren gestorben ist", betonte der evangelische Thüringer Landesbischof Christoph Kähler bei der Diskussion im Augustinerkloster Erfurt, die das Verhältnis und die Sicht der Kirchen zu Elisabeth zum Thema hatte. Kähler forderte dazu auf, besonders die Jugend von heute einzuladen, sich mit Elisabeth zu beschäftigen, sie neu für sich zu entdecken. Weiter warnte Kähler vor einer möglichen Banalisierung der Heiligen. Elisabeth- Menü, Musical und andere Veranstaltungen trügen immer die Gefahr in sich, Elisabeth zu verfälschen oder sich gar über sie und ihr Leben lustig zu machen. "Ich habe einfach keine Lust auf Darstellungen, die Elisabeth und Ludwig bis ins Ehebett verfolgen", sagte der Landesbischof. Aber Sexualität und Kriminalität seien nunmal leider die Themen, die sich am besten verkaufen.

Bischof Joachim Wanke, der die Sorge vor dem Banalen teilte, verwies darauf, dass es bei der aktuellen Vermittlung Elisabeths nicht ohne Einfühlungsvermögen, ohne ein genaues Hinschauen auf das Heute gehe. So sei es unter anderem einfach nötig, immer wieder den Finger auf die Wunden einer Gesellschaft zu legen, die sich damit abfinde, immer mehr arme und chancenlose Menschen abzuschieben. Eine solche Gesellschaft könne sich nicht menschlich nennen.

Elisabeth verstehen: Ein Kern an Fremdheit bleibt

Zuvor hatte Joachim Wanke in seiner Ansprache an die Fremdheit erinnert, die heutige Menschen im Blick auf Elisabeth empfinden. Er sagte: "Man muss sie zunächst einmal in ihrer Fremdheit stehen lassen. Manches kann man nur verstehen, wenn man einen Zugang zu den Frömmigkeitsformen der Zeit findet, etwa zur speziellen Frauenfrömmigkeit der Beginen oder zum Armutsideal des heiligen Franziskus. Doch selbst wenn man solche Verstehenshilfen in Anspruch nimmt: Es bleibt ein harter Kern an Fremdheit, der sich nicht allein aus der jeweiligen Zeit erklären lässt."

Elisabeth sei auch heute letztlich nur in ihrer Christusfrömmigkeit zu verstehen, dem Quellgrund ihres Seins. Joachim Wanke machte Mut, sich an der Entschiedenheit Elisabeths in der Christusnachfolge ein Beispiel zu nehmen. Sie sei Anfrage und heilsame Herausforderung für jeden Christen, "aber auch für die säkulare Gesellschaft heute."

Mit Blick auf das Jahr 2007 bat der Bischof darum, die ganze Elisabeth in den Blick zu nehmen. "Dazu gehört nicht nur ihre barmherzige Zuwendung zu den Armen und Kranken, dazu gehört nicht nur ihr Ausbrechen aus Standesschranken und ihre Kritik an der Ungerechtigkeit damaliger gesellschaftlicher Verhältnisse – dazu gehört auch ihr Leben in einer durchhaltenden, tragenden Gottesgegenwart."

Der Erfurter Bischof stellte zudem die Frage, ob Menschen heute das Leben Elisabeths als geglückt verstehen können und verwies auf das Buch "Die Sünde. Das schöne Leben und seine Feinde" des Bamberger Soziologen Gerhard Schulze. Joachim Wanke: "In scharfer Kontraststellung, ja geradezu in einer Karikatur christlicher Moralvorstellungen preist Schulze als Alternative den Willen zum selbstbestimmten ,schönen‘ Leben. Es sei für den Westen und seine Wertvorstellungen wichtig – so der Autor – , das Augenmerk auf das Privatleben zu lenken und es als Quelle des Selbstbewussteins zu erschließen. Das Leben dürfe kein ,Vorspiel‘ (wie für den mittelalterlichen Menschen) sein, sondern dieses irdische Leben müsse die Hauptsache bleiben, die sinngebende Größe schlechthin."

Leben in Intensität und Liebenswürdigkeit

Das Leben der heiligen Elisabeth hingegen werfe andere Fragen an die Gesellschaft auf: "Wie kann das gehen – sich innerlich ganz an Gott zu binden und dabei frei zu werden?" oder "Wie ist das möglich – nicht vordergründig nach sich und seinen Lebenswünschen zu fragen und dennoch froh und glücklich zu sein?" Zudem stelle die Biografie Elisabeths immer die Anfrage, "aus welchen Quellen sich das Selbstverständnis des Menschen letztlich speist." Noch einmal Bischof Wanke: "Es gibt scheinbar doch mehr als nur diese Alternative: Fremdbestimmung oder Selbstbestimmung; aufgezwungene Moral, zumindest von außen auferlegte Moral, oder Ethik der ,Selbstentfaltung‘, also eine Lebenssicht, die sich in einer nur irdischen, ausschließlich innerweltlichen Sicht des menschlichen Daseins erschöpft. Es gibt offensichtlich ein Leben, das gerade durch seinen Gotteshorizont in seiner Vitalität, in seiner Intensität und Liebenswürdigkeit gesteigert werden kann. Es scheint das zu geben, dass man ,mit dem zweiten Auge‘, dem religiösen Auge ,mehr sieht‘ als man denkt."

Die Veranstaltung im Erfurter Augustinerkloster stand unter dem Motto "Das Leben der Heiligen Elisabeth – Anfrage an evangelische und katholische Christen heute." Organisiert wurde die öffentliche Veranstaltung von den Beauftragten der beiden Kirchen, die mit dem Kontakt zu Landesregierung und Landtag betraut sind. Landtagsabgeordnete, Regierungsmitglieder sowie Mitarbeiter der Ministerien wurden besonders eingeladen.



Informationen

Die Rede von Bischof Joachim Wanke findet sich im Internet unter www.bistum-erfurt.de

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 06.12.2006

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