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Aus der Region

Nachjustieren erforderlich

Hallenser Caristas-Geschäftsführer zu Hartz IV

Winfried Weber, Geschäftsführer der Caritas in Halle. Die gesetzlichen Regelungen für die Träger von Hartz IVMaßnahmen und deren örtliche Umsetzung sind in manchen Teilen unbefriedigend. Das sagt der Geschäftsführer des Caritasverbandes für die Stadt und das Dekanat Halle, Winfried Weber. Der Tag des Herrn sprach mit ihm.
Herr Weber, als Wohlfahrtsverband ist die Caritas in Halle auch Träger von Maßnahmen für ALG II-Empfänger, sogenannten Ein-Euro-Jobs. Mit Ihrer Cariteam GmbH geben Sie derzeit 34 Menschen eine sinnvolle Beschäftigung – eine gute Lösung?
    Wir versuchen, unseren Teilnehmern Maßnahmen anzubieten, die zu einer sinnvollen Ergänzung ihrer Biografie werden können, das heißt, auch ihren beruflichen Erfahrungen angemessen sind. Auf diese Weise wollen wir sie bei ihrem Bemühen unterstützen, wieder in eine Anstellung zu kommen. Wer einmal zwei oder mehr Jahre zu Hause war, hat es schwer, sich wieder in den Berufsalltag zu integrieren. Bei uns sind die Teilnehmer in eine feste Tagesstruktur eingebunden, in unserem Möbellager wird sogar in Schichten gearbeitet. Pünktlichkeit, Disziplin, Fleiß sind Tugenden, die die Teilnehmer bei uns festigen können. Sie nehmen an Qualifizierungen teil und können berufliche Kontakte aufbauen. Über Cariteam haben die Teilnehmer auch gute Möglichkeiten, die Beratungsangebote der Caritas zu nutzen.
Welche Erfahrungen machen Sie mit der Regelung der sogenannten Ein-Euro-Jobs?
    Der eine Euro Mehraufwandsentschädigung pro Stunde ist für nicht wenige eine zusätzliche Motivation. Allerdings müssen die Teilnehmer davon ihr Fahrgeld bestreiten. Dennoch nehmen sie den zusätzlichen Euro gern. Daran merkt man, dass die Armut nicht vorgeschützt wird. Im Übrigen machen wir als Caritas auch im Bereich des Ehrenamts die Erfahrung, dass der Euro gern genommen wird und zwar von Gemeindemitgliedern genauso wie von Leuten von außerhalb. Es gibt eben durchaus Menschen, die diesen Euro pro Stunde bitter brauchen, weil sie wirklich arm sind.
Die Abwicklung einer solchen Maßnahme ist für Sie als Caritas nicht ganz einfach …
    Wir haben zum Beispiel ein Problem mit der Kurzläufigkeit der Maßnahmen. Laut Gesetz ist es möglich, längerfristige Leistungsvereinbarungen, beispielsweise über fünf Jahre, abzuschließen. In der Praxis bei uns hier in Halle wird jedoch nur ein Jahr genehmigt. Den örtlichen Agenturen fehlt – insbesondere, was die Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt angeht – eine mittelfristige Planungssicherheit. Das heißt für Cariteam: Wir wissen nicht, ob wir unser Angebot im neuen Jahr fortsetzen können.
Und dies bedeutet, immer wieder Anträge auszufüllen und gegebenenfalls auch zeitweise Arbeitslosigkeit für die anleitenden Mitarbeiter hinzunehmen …
    Genauso ist es.
Aber auch im Blick auf den Ablauf einer Maßnahme sehen Sie Probleme …
    Bei der längerfristigen Genehmigung von Maßnahmen wären zudem ein fortlaufender Einstieg von Maßnahmeteilnehmern und eine modulartig aufgebaute Qualifizierung möglich. Jetzt ist die Situation so: Wenn derzeit eine Qualifizierungsmaßnahme ansteht, nehmen alle "Ein-Euro- Jobber" daran teil. Nachrückende Maßnahmeteilnehmer profitieren davon nicht und können in der "Restlaufzeit" nicht aureichend gefördert werden. Das Gesetz lässt eine rollende Qualifizierung durchaus zu. Hier wäre einfach mehr örtliche Flexibilität wünschenswert.
Unter den vielen Arbeitslosen sind immer auch solche, die wenig motiviert sind …
    Deshalb wünsche ich mir vom Gesetzgeber, dass der Maßnahmeträger mit den Teilnehmern stärker im arbeitsrechtlichen Sinne umgehen könnte. Laut Gesetz besteht mit den Maßnahmeteilnehmern ausdrücklich kein Beschäftigungsverhältnis. Dies bedeutet zum Beispiel: Wenn ein Teilnehmer nur sehr sporadisch seinen Verpflichtungen nachkommt oder gar überhaupt nicht erscheint, bleibt sein Platz leer. Es kann kurzfristig kein anderer Teilnehmer nachrücken. Denn der Träger hat keine Disziplinarbefugnis, und bis die Arbeitsgemeinschaft (Arge) reagiert und einen neuen "Ein-Euro-Jobber" schickt, vergehen meist einige Wochen.
Mit seinen Regelungen über die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten für Arbeitslose will der Gesetzgeber verhindern, dass sich Alg II-Empfänger in ihrer Situation einrichten, und ihnen helfen, ihre Chancen, einen Job zu finden, zu verbessern. Gelingt dies?
    Hier gibt es das Bild vom "Durchlauferhitzer". Die Fähigkeiten des Arbeitslosen sollen in einem begrenzten Maßnahmezeitraum so aufgefrischt werden, dass er wieder eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt findet. Doch unter unseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist dies besonders für die ab 55-Jährigen eher eine Illusion. Stattdessen müsste es etwa für diesen Kreis von Personen darum gehen, ihnen zu einem würdigen Abschluss ihrer Berufsbiografie zu verhelfen, was im Übrigen eine stete Forderung der Liga der Freien Wohlfahrtspflege ist. Mit der mehrjährigen Bewilligung von Arbeitsgelegenheiten oder öffentlich geförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gibt es gute Erfahrugen. Es könnte hier viel Bürokratie abgebaut werden.
    Die Hartz-Gesetzgebung ist unzweifelhaft eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Dennoch bringt das Instrument der Arbeitsgelegenheiten wie bereits beschrieben einen gewissen Erfolg im Sinne von Fordern und Fördern. Dass von hier aus regelmäßig Menschen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können, ist allerdings nur insoweit möglich, wie dort offene Stellen vorhanden sind. Dennoch halte ich die Diskussion, ob man das Instrument der Ein-Euro-Jobs wieder abschaffen sollte, für völlig kontraproduktiv, vorausgesetzt, das eine oder andere wird nachjustiert.
Was muss neben dem bereits Genannten außerdem verändert werden?
    Wird eine Maßnahme etwa durch die Arge nicht verlängert, bleibt der Träger auf den gesamten Kosten für die Infrastruktur sitzen. Er kann sie auch nicht während der Maßnahme abschreiben. Hier sind Korrekturen nötig. Im Übrigen: Natürlich kosten die Maßnahmen Geld, eine Menge Geld. Aber die Investitionen fließen doch auch wieder in die Wirtschaft zurück.
Bislang müssen Sie laut Auflage der Arge zum Beispiel die Möbel im Lager von Cariteam kostenlos an die Bedürftigen abgeben. Doch Sie plädieren für einen symbolischen Preis …
    Wo etwas nichts kostet, wird der Eindruck vermittelt: Die Dinge sind nichts wert. Ich fände es deshalb gut, wenn wir eine Schutzgebühr erheben dürften. Dann könnte man von dem Geld bewährte Teilnehmer für drei Monate im ersten Arbeitsmarkt beschäftigen. Und wer das Geld für die Schutzgebühr nicht hat, könnte bei uns dafür arbeiten.
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 56. Jahrgangs (im Jahr 2006).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 20.12.2006

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