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1. Die Kirche

Über das katholische und das evangelische Kirchenverständnis

Bischof Gerhard Feige Zeichen und Werkzeug (Bischof Gerhard Feige über das katholische Kirchenverständnis): Kirche ist für Katholiken -wie das Zweite Vatikanische Konzil verdeutlicht hat -ein menschlich-göttliches "Mischwesen", "in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit". Als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes geht sie ganz vom dreifaltigen Gott aus, der mittels ihrer Hilfe die Menschen mit sich und untereinander versöhnen will. Dabei bewirkt sie das, was sie sichtbar zum Ausdruck bringt, nicht aus menschlicher Kraft, sondern durch Jesus Christus, der sie gegründet hat, ihr bleibendes Haupt ist und sie mit seinem Geist belebt. Als soziologisch erfassbare Größe ist sie "nur" ein Gefäß der Gnade oder Berührungsort des Heils, nicht das Heil selbst. Durch Gott geheiligt, bedarf sie aufgrund ihrer menschlichen Unzulänglichkeit immer wieder der Reinigung und Erneuerung. Dass sie dennoch wirksames Zeichen und Mittel des Heils sein kann, ist ein regelrechtes Wunder, zu dem man nur im Glauben Zugang findet.
Diese eine umfassende Kirche Jesu Christi sieht die katholische Kirche in sich konkret verwirklicht: in ihren bischöflich verfassten Ortskirchen und als Weltkirche. Dabei versteht sie das nicht mehr exklusiv, sondern erkennt auch die anderen "Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften" als "Mittel des Heiles" an und weiß sich mit ihnen verbunden. In welcher Beziehung diese zur einen Kirche des Glaubensbekenntnisses stehen, wird katholischerseits nach dem Umfang, der von der Fülle des sakramentalen Lebens und der apostolischen Sukzession bewahrt wurde, gewertet und von deren eigenem Selbstverständnis abhängig gemacht, letztlich aber offen gelassen. Zugleich vertritt die katholische Kirche nicht mehr die Meinung, dass die anderen zu ihr zurückzukehren hätten, verwirft aber auch eine Ökumene, die sich mit einer einfachen Anerkennung der bestehenden Verhältnisse zufrieden geben will. Sie teilt nicht die Vorstellung, dass die wahre Kirche nur unsichtbar oder aber eine gewisse Summe von Konfessionen sei. Trotz oder gerade aufgrund ihres anspruchsvollen Selbstverständnisses bekennt sie sich zu einem ernsthaften ökumenischen Dialog mit dem Ziel einer sichtbaren Einheit durch Besinnung auf den Ursprung in Christus und auf die Sendung für die Welt.

Gemeinschaft der Christen (Landesbischof Christoph Kähler über das evangelische Kirchenverständnis): Die evangelische Kirche ist dem biblischen Zeugnis verpflichtet. Von Anfang an haben die Jünger und Jüngerinnen Jesu ihren Glauben, dass Jesus der Christus, der Retter aus Sünde und Tod ist, in Wort und Tat öffentlich bekundet, zusammen gefeiert und gemeinsam gelebt. Die Einzelnen konnten und wollten ihren Glauben nicht für sich behalten, sondern suchten die Gemeinschaft der Christen vor Ort. Zugleich war man in den Gemeinden davon überzeugt, dass alle Christen zu einer einzigen Kirche in der bewohnten Welt (Ökumene) gehören. Sie können und sollen sich gegenseitig durch ihr Bekenntnis zum auferstandenen Christus als Christen erkennen, anerkennen und zusammenwirken.
Schon in den Urgemeinden gab es Unterschiede in Herkunft, Sprache, Nationalität und -auch das immer wieder -in den Glaubensauffassungen. Die Apostel Paulus und Petrus haben sich zeitweise in wirklich wichtigen Fragen nicht einigen können. Aber die ersten Christen wussten auch: die Einheit der Kirche wird nicht durch Menschen hergestellt, sondern ist uns durch Jesus Christus vorgegeben. Wir können und müssen versuchen, dieser Gemeinschaft in Jesus Christus zu entsprechen durch einen angemessenen Umgang mit dem Evangelium und in unserer Haltung gegenüber den Glaubens-Geschwistern.
Dazu gehört der Respekt sowohl vor dem persönlichen Glauben und der Mündigkeit des einzelnen Christen als auch vor der Glaubens-Gemeinschaft. Da der Glaube des Einzelnen und die Glaubensauffassungen der Gemeinschaft einander bedingen, dürfen sie nicht gegeneinander ausgespielt werden. Auch kann und darf sich die Gemeinschaft nicht zum letzten Richter über den Glauben des Einzelnen aufwerfen, denn das Urteil steht allein Gott zu. Ebenso wenig kann einer Gemeinde abgesprochen werden, Kirche Jesu Christi zu sein. Das gilt jedenfalls solange, wie zwei Bedingungen erfüllt sind: Das Evangelium von Jesus Christus wird rein (also unverfälscht) gepredigt und die Sakramente, Taufe und Abendmahl, werden dem Evangelium entsprechend gefeiert. Weil nach lutherischer Überzeugung nur diese beiden Bedingungen entscheidend sind, kann die evangelische Kirche andere Kirchen wie die orthodoxen und die römisch-katholische anerkennen.
Darauf, dass diese Bedingungen erfüllt werden, kann und soll jeder Christ und jede Gemeinde achten und im Notfall die Rückkehr zu den biblischen Grundsätzen fordern, wie Martin Luther es in der Reformation von der damaligen Kirche verlangte. Daher wird in der evangelischen Kirche bei der Gestaltung kirchlichen Lebens und kirchlicher Ordnung ein besonderes Augenmerk auf die Möglichkeiten der Beteiligung aller Getauften gelegt.
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 01.03.2007

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