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6. Maria

Ein ökumenischer Blick auf die Mutter Jesu

Bischof Gerhard Feige Ein Urbild der Glaubenden (Bischof Feige über das katholische Marienverständnis): Ist von "der" Maria die Rede, kommt das zumeist aus evangelischem Mund. Katholiken sagen vertrauter und inniger einfach: Maria. Dass diese heutzutage mehr katholisch als evangelisch zu sein scheint, ist eine Folge der konfessionellen Abgrenzung nach der Reformation. Übertreibungen in der Lehre und Missbräuche im Kult hatten zur Kritik provoziert. Im Gegenzug wurde die Betonung und Verehrung Marias bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts immer mehr zum Inbegriff des Katholischen. Dazu gehört auch der Glaube an Marienerscheinungen als mystisch-prophetische Privatoffenbarungen. Nur wenige von ihnen sind jedoch offiziell anerkannt worden. Insgesamt hat die Marienfrömmigkeit kulturgeschichtlich einen großen Einfluss auf Dichtung, bildende Kunst, Musik und Brauchtum (zum Beispiel das Wallfahrtswesen) ausgeübt.
Seit den Zeiten des Neuen Testaments nimmt Maria als "Schwester im Glauben" in der "Wolke der Zeugen" eine besondere Stellung ein. Auf den biblischen Aussagen gründend ist das Verständnis ihrer Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte gewachsen und theologisch entfaltet worden. Um den Glauben an Jesus Christus als wahren Gott und wahren Menschen und dessen geistgewirkten Ursprung noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, wird sie der altkirchlichen Tradition gemäß -auch von evangelischen Christen -als Gottesmutter und Jungfrau bekannt.
Katholischerseits ist 1854 ihre "unbefleckte Empfängnis" und 1950 ihre leibliche "Aufnahme in den Himmel" dogmatisiert worden. Beide Lehren sind nicht willkürliche Erfindungen, sondern Ergebnisse meditierenden Nachdenkens und ein Lobpreis der reinen Gnade Gottes. Beiden geht es um die Frage: Wie wirkt Gott im Leben eines Menschen, den er in so einzigartiger Weise zur Mutter seines Sohnes erwählt hat? Er bewahrte Maria -so wird ihr gnadenhafter Anfang gedeutet -um Christi willen und im Hinblick auf dessen Erlösertod vom ersten Moment ihres Daseins vor jeglicher Schuldverstrickung (Erbsünde). Und am Ende hat Gott ihr schon das zuteil werden lassen, was uns allen verheißen ist: die ganzheitliche Vollendung in seiner Herrlichkeit.
Nachdrücklicher als früher wird Maria heute in der katholischen Kirche von den Quellen des Glaubens her erschlossen: in ihrer Hinordnung auf Christus (nicht als dessen Konkurrentin) und in ihrer Bedeutung für die Kirche. Als Hörerin des Wortes Gottes und dienstbereite Magd des Herrn ist sie ein Urbild der Glaubenden und die Repräsentantin des neuen Bundesvolkes, für alle ein "Zeichen der Hoffnung und des Trostes".

Nur einer ist Gott und Mittler (Landesbischof Kähler aus evangelischer Sicht über die Bedeutung Mariens für die Glaubenden): Das erste Bild der Mutter Maria, an das ich mich erinnere, stand in einer Klinik auf dem Nachttisch meiner eigenen Mutter. Der große blaue Mantel des Gemäldes war so schön und groß dargestellt, dass er fast lockte, sich unter diesem Schutzmantel zu verbergen. Dicht daneben lag mein jüngerer Bruder und ruhte sich von den Anstrengungen seiner ersten Lebensstunden aus -behütet von unserer Mutter. Wenn ich heute an die Mutter Jesu denke, dann steht mir oft dieses Bild des Friedens und des neuen Lebens von damals vor Augen. Dass Gott auf die Welt gekommen ist in der Gestalt des Menschen Jesus, wird besonders deutlich, wenn wir an seine Familie, seine Schwestern und Brüder (Markus 6,3) und vor allem an seine Mutter denken. Sie hat ihn geboren, seinen denkwürdigen Weg miterlebt und wohl auch erlitten. Womöglich war sie zunächst traurig, dass er anders war als ihre anderen Kinder. An einer Stelle (Markus 3,21) wird sogar berichtet, dass die Verwandtschaft, da-runter auch Maria, ihn mit sich nach Hause zurücknehmen wollte, weil sie sich sagte "Er ist von Sinnen". Später lesen wir davon, dass Maria die Hinrichtung ihres Sohnes erleben musste. Das ist das Schlimmste, was einer Mutter geschehen kann. Nach Ostern gehörte Maria zur christlichen Gemeinde, war also fest davon überzeugt, dass Gott ihn auferweckt hatte.
Über die Mutter Jesu werden noch viele andere Geschichte vor allem von orthodoxen und katholischen Christen erzählt, besungen und gemalt. Sie geben diesem Glauben eine Gestalt und Farbe, die uns evangelischen Christen oft ungewohnt ist. Besonders fremd ist uns die Anrufung der Gottesmutter im Gebet. Zu dieser Marienfrömmigkeit passen am ehesten noch unsere Lieder und Bilder zu Weihnachten, die in den Geburtsgeschichten des Matthäus und des Lukas ihre Anhaltspunkte haben. Maria wird hier auch zum Vorbild für die Glaubenden.
Eine gute Regel dafür, wie wir Maria und Jesus Christus zusammenhalten und unterscheiden müssen, gibt uns das Neue Testament an die Hand: "Es gibt nämlich nur einen Gott und einen Mittler Gottes und der Menschen, den Menschen Christus Jesus, der sich selbst als Erlösung für alle gegeben hat." (1 Tim 2,5-6). Alles, was eine Konkurrenz zum Glauben an Jesus Christus darstellen könnte, ist hochproblematisch. Alles, was uns den Mariensohn, also den Menschen Jesus, besser verstehen lässt, hilft uns, Vertrauen zu Gott zu fassen.
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 01.03.2007

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