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Bistum Dresden-Meißen

Klimawandel

Fragen an den Umweltbeauftragten des Bistums Dresden-Meißen

Ulrich Clausen, Umweltbeauftragter des Bistums Dresden-Meißen In den letzten Wochen hat der UN-Weltklimareport, der den Klimawandel und den Menschen als dessen Verursacher bestätigt, für Schlagzeilen gesorgt. Aus diesem Anlass sprach der Tag des Herrn mit dem Umweltbeauftragten des Bistums Dresden-Meißen, Ulrich Clausen. Herr Clausen, darf ein Christ nach der Debatte um den Klimaschutz noch nach Mallorca oder auf die Malediven in den Urlaub fliegen?
    Natürlich darf er das. Die entscheidende Frage ist, warum will ich dort Urlaub machen: Will ich den Menschen begegnen und eine andere Kultur kennenlernen? Oder fahre ich in eine Hotelburg, wo ich den ganzen Tag in der Sonne liege? Auf einer Liege ausruhen, das kann ich auch hier in der Nähe. Dafür ist eine tausende Kilometer weite Flugreise nicht verantwortbar. Aber die Begegnung mit anderen Menschen und Kulturen ist für uns Menschen wichtig. Trotzdem sollte ich mir der dadurch verursachten Umweltbelastung bewusst sein. Vielleicht kann man für sich ja eine persönliche Bilanz der Umweltbelastung aufstellen: Wenn mir eine Reise in ein fernes Land wichtig ist, muss ich an einer anderen Stelle meinen Energiebedarf und die damit verbundene Umweltbelastung reduzieren.
Der Verzicht auf Flugreisen war ja nur ein Vorschlag in der durch den UN-Weltklimareport angeregten Debatte über den Klimawandel und seine Ursachen. Wie erklären Sie sich, dass der Klimawandel plötzlich in aller Munde ist?
    Die Menschen sind erschrocken. Allerdings verwundert mich das, denn die Daten sind lange bekannt. Sie haben sich in jüngster Zeit nur verschärft, aber auch das in dem erwarteten Maß. Als vor über 20 Jahren über Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung gesprochen wurde – etwa im Zusammenhang mit dem Konziliaren Prozess – hieß es von vielen Zeitgenossen: Das sind Unkenrufe! Das wird schon alles nicht so schlimm werden! Und wir haben uns zurückgelehnt und weitergemacht wie bisher. Ich kann mich auch noch gut an die Flutkatastrophe in unserer Region im Sommer 2002 erinnern. Auch da waren viele erschrocken und bereit, etwas zu verändern. Jetzt – fünf Jahre später – scheint das alles wieder vergessen. Aber der Klimawandel lässt sich nicht mehr bezweifeln. Und auch nicht die Tatsache, dass der Mensch der Hauptverursacher ist.
Wenn ich im Zusammenhang mit der Berichterstattung die Dreck in die Luft schleudernden Schornsteine chinesischer Fabriken sehe, stellt sich bei mir hilflose Resignation ein. Kann ich als Einzelner für unsere Umwelt überhaupt etwas tun?
    Es ist richtig, dass China momentan eines der Länder mit hohem Schadstoffausstoß ist. Betrachtet man aber den Energieverbrauch pro Kopf, so ergibt sich, dass der einzelne Chinese nur ein Zehntel der Energiemenge eines Bewohners eines Industrielandes verbraucht. Das Gegenrechnen solcher Zahlen erscheint mir noch aus einem anderen Grund ungerechtfertigt: Die Chinesen produzieren ja vieles nicht für sich, sondern für uns. Wir leben davon, dass unser T-Shirt nur zwei Euro kostet. Wir leben von dem billigen Spielzeug "made in China". Wir in der Ersten Welt sind oft die Nutznießer der Umweltsünden, die in der Dritten Welt begangen werden. Und deshalb ist diese Diskussion scheinheilig.
    Für uns Christen gibt es noch ein ganz anderes Rezept gegen hilfslose Resignation. Jeder von uns hat seinen Auftrag von Gott, und er ist ihm gegenüber Rechenschaft schuldig. Der Hinweis "Aber der andere ..." zählt hier nicht. Am Ende werde ich nicht gefragt: Hast du dich so verhalten wie die anderen? Sondern: Was hast du aus den Talenten gemacht, die ich dir gegeben habe? Wie hast du deinen Auftrag umgesetzt? – Jeder muss sich eigenverantwortlich fragen, was er beitragen kann. Das Ergebnis kann unterschiedlich sein und hängt von vielen Dingen ab: von der Zeit, vom Geld, von der Erkenntnis ... Aber das Schielen nach rechts und links und die Feststellung, dass ich da oder dort ein bisschen besser bin, hilft nicht weiter.
Entsprechende Erkenntnisse praktisch umzusetzen, scheitert dann mitunter an Bequemlichkeit und gewohntem Trott. Politischer Druck in Form konkreter Gesetzgebung kann hilfreich sein. Doch auch die Politik hat mit starken Gegnern zu kämpfen, wenn es etwa um die Besteuerung von Kraftfahrzeugen geht. Passiert politisch genug?
    Da passiert zu wenig. Die Politik ergibt sich viel zu oft dem Lobbyismus. Für mich ist es überhaupt nicht einsichtig, warum schwere Geländewagen, die durch unsere Städte fahren, als seien sie im Urwald unterwegs, nicht anders besteuert werden. Oder: Warum können französische Autobauer bestimmte Schadstoffobergrenzen einhalten und deutsche Firmen können das nicht? Die Autoindustrie in Deutschland hat wie in Amerika viel zu lange auf das falsche Pferd, die großen Autos, gesetzt. Die amerikanische Autoindustrie muss inzwischen dafür bezahlen, weil sich die Autos nicht mehr verkaufen lassen. Und wenn in Deutschland der Benzinpreis weiter steigt, wird sich auch dadurch vieles verändern. Deutschland hat inzwischen zehn bis 15 Jahre Entwicklung verschlafen. Und je länger das so weitergeht, desto schmerzhafter wird die Umstellung sein. Hinter allem aber steht eine viel grundsätzlichere Fragestellung: Wir müssen unsere Lebensgrundsätze neu bedenken. Sicher brauchen wir Mobilität. Aber muss das Auto ein Statussymbol sein? Die Frage nach den Lebensgrundsätzen stellt sich nicht nur hier.
Brauchen wir mehr Bildung in Umweltfragen?
    Das glaube ich nicht. Notwendig ist vielmehr Überzeugungsarbeit. Wir müssen uns bewusst werden, dass wir oft in der einen Richtung reden, aber in der anderen Richtung handeln. Letztlich ist uns das Portemonnaie doch näher als der ökologische Verstand. Das hängt damit zusammen, dass wir unsere Lebensmaximen nicht korrigieren. Wir wollen immer mehr haben und immer schneller sein. Aber ist das unser Menschenbild? Hier müssen wir ansetzen. Den Benzinpreis radikal zu erhöhen, nutzt wenig. Wir brauchen keine Öko-Diktatur, sondern ein Nachdenken über unsere Grundsätze.
Können Sie unseren Lesern noch ein paar konkrete Umwelttipps geben?
    Zurzeit sind wir ja in der Fastenzeit. Diese Zeit ist der Aufruf an uns, umzukehren und an das Evangelium zu glauben. Dabei geht es nicht um eine begrenzte Aktion ("Jetzt machen wir mal ein paar Wochen dieses oder jenes ..."). Es geht darum, in der Fastenzeit das ganze Leben neu an Christus auszurichten. Mit Blick auf die Bewahrung der Schöpfung geht es also nicht um einmalige Aktionen, sondern darum, meine Beziehung zur Umwelt als Ganzes zu überprüfen.
    Praktisch gibt es dafür unendlich viele Ansatzpunkte: Was das Thema Mobilität betrifft, kann ich mich fragen: Wo brauche ich ein Auto? Mit welchem Verkehrsmittel reise ich in den Urlaub? Meine Ernährung kann ich dahingehend ändern, dass ich mehr Gemüse esse als Fleisch und regionalbezogen einkaufe. Auch die Wiederentdeckung der Langsamkeit ist ein Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung: Es geht nicht darum, möglichst viel, sondern etwas möglichst bewusst zu erleben. Ich kann mir auch Gedanken über mein Konsumverhalten machen: Brauche ich wirklich eine Mikrowelle, nur weil sie heute zur Grundausstattung einer modernen Küche gehört? Und für diejenigen, die dann zu viel Geld übrig haben, habe ich auch noch einen Tipp: Die kirchlichen Hilfswerke können es gut gebrauchen.

Fragen: Matthias Holluba


Hinweis

Konkrete Tipps und Anregugnen von Ulrich Clausen finden Sie in unserer Serie "Chancen für die Schöpfung", die der Tag des Herrn nach der Flutkatastrophe 2002 veröffentlicht hat.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 15.03.2007

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