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Aus der Region

Der Tod und der Osterglaube

Erfahrungen eines Krankenhausseelsorgers

Diakon Olbert und die evangelische Krankenhausseelsorgerin Bärbel Treu im Abschiedsraum im Krankenhaus Salzwedel. Foto: Christel Schwerin Salzwedel (mh) - Die Auferstehung Christi erinnert die Christen an die Hoffnung auf ihre eigene Auferstehung. Die größte Herausforderung dafür ist der Tod. Holger Olbert, Ständiger Diakon in Arendsee und unter anderem Krankenhausseelsorger, hat damit unterschiedliche Erfahrungen gesammelt.

Sterben und Tod sind Tabu-Themen. Dass das so ist, liegt für Diakon Holger Olbert vor allem daran, dass die Menschen Angst vor dem Sterben haben. "Nicht erst der Tod, sondern schon das Alt-Werden macht Angst. Viele versuchen, diesen Trend zu stoppen durch Fitnesstraining, Cremes oder Schönheitsoperationen." Warum? "Weil die Menschen meinen, dass mit dem Tod Schluss ist."

Die Angst vor dem Tod hängt auch damit zusammen, dass er heute im Alltag kaum noch vorkommt, meint Holger Olbert: "Früher sind die meisten Menschen zu Hause gestorben. Heute wird vieles abgewälzt auf die Altenheime, Krankenhäuser und Bestattungsinstitute. Wir werden mit Krankheit, Leid und Tod oft nur noch am Rande konfrontiert." In einer solchen Situation hat der Glaube an die Auferstehung und an ewiges Leben keinen leichten Stand. Diakon Olbert: "Selbst für Christen ist der Glaube daran schwerer geworden, laut Umfragen für viele sogar nebensächlich. Dabei müsste gerade dieser Glaube das Fundament unseres Lebens sein."

In letzter Zeit beobachtet Diakon Olbert eine Veränderung, wie andere, die mit dem Sterben und Tod von Menschen zu tun haben, auch: "Menschen lassen sich auf das Sterben ihrer Verwandten ein. Sie übernehmen selbst die Pflege sterbender Angehöriger und holen sie zum Sterben nach Hause, was manchmal nur mit großem medizinischen Aufwand möglich ist." Ist ein Sterben zu Hause nicht möglich, nehmen sich die Angehörigen Zeit für ihre Besuche im Krankenhaus.

Im Kontakt mit solchen Menschen erlebt Diakon Olbert, "dass selbst Nichtchristen einen Funken Hoffnung haben, dass es nach dem Tod vielleicht doch einen Neubeginn gibt". Beispiele dafür kann er einige erzählen, etwa von einem schwerkranken Mann, der zwar getauft war, aber sonst nicht mehr viel mit Kirche zu tun hatte. Als er ihn im Krankenhaus besucht, fiel ihm das Foto von der goldenen Hochzeit auf dem Nachttisch auf. Der Mann freute sich, dass seine Frau ihn am nächsten Tag besuchen kommen wollte. Weil er sterbenskrank war, hatte sie extra ihre Reha-Kur abgebrochen. "Zwei Tage nach meinem Besuch las ich in der Zeitung die Todesanzeige. Der Mann war noch am Tag meines Besuches gestorben, seine Frau hatte ihn nicht mehr sehen und in die Arme nehmen können." Weil die Familie wahrscheinlich nichts von seinem Besuch wusste, beschloss Diakon Olbert, ihr einen Brief zu schreiben: "Auch wenn die Ehefrau und die Kinder nicht christlich waren, sollten sie doch wissen, dass ich kurz vor seinem Tod bei ihm war, ihm Trost gespendet und mit ihm gebetet habe." Zwei Sätze aus der Antwort der Frau haben Holger Olbert besonders bewegt, weil daraus – trotz des Umstandes, dass die Frau ihren Mann nicht mehr lebend sehen konnte – Trost und Zuversicht sprechen: "Wir sind beruhigt, zu erfahren, dass Sie ihm zugehört haben und ihm Trost spenden konnten." Und: "Wir trösten uns, dass er nun keine Schmerzen mehr hat, nicht als Pflegefall in ein Heim muss und ich ihn doch bald wieder treffe."

Allerdings macht Holger Olbert mitunter gegenteilige Erfahrungen – auch bei Christen, die mit dem eigenen Tod oder mit dem Sterben eines Angehörigen große Schwierigkeiten haben: "Ein Mann, dessen Ehefrau sich sehr in der katholischen Gemeinde engagierte und dann sehr jung starb, hat seinen Kontakt zur Kirche völlig eingestellt." Und ein anderes Beispiel: "Eine Frau, deren Ehemann nach kurzer, sehr schwerer Krankheit starb, konnte damit kaum fertig werden. Immer wieder fragte sie: Warum er? Er war doch in der Gemeinde so aktiv, hat jeden Tag gebetet, für ihn zählte doch nur sein Glaube." Der Mann selbst, erinnert sich Diakon Olbert, war gestärkt durch diesen seinen Glauben "sehr gelassen und voller Hoffnung in den Tod gegangen". Das ist eine Grunderfahrung, die Holger Olbert immer wieder macht: "Dass sehr gläubige Menschen sehr hoffnungsvoll sterben. Aber es gibt eben nur sehr wenige sehr gläubige Menschen. Viele Christen haben wie die Nichtchristen Angst vor dem Tod."

Beim Umgang mit dem Tod helfen kann die Erfahrung, die ein Mensch macht, wenn er in der Todesstunde eines Angehörigen dabei ist. "Besonders wichtig ist die Möglichkeit, Abschied zu nehmen", sagt er. Deshalb wurde jetzt im Krankenhaus in Salzwedel auch ein Abschiedsraum eingerichtet, wo Angehörige nach dem Tod würdevoll Abschied von ihrem verstorbenen Angehörigen nehmen können – auf Wunsch auch im Beisein eines Krankenhausseelsorgers.

Nach dem Tod aus der Osterbotschaft heraus den Hinterbliebenen Trost zu spenden, ist für Diakon Olbert eine große Herausforderung. "Selbst Nichtchristen sind da sehr empfänglich und offen und immer wieder auch durch eine gut vorbereitete Ansprache getröstet und erleichtert." Doch die zurückgebliebenen Angehörigen brauchen nicht nur diesen Trost. Sie sollten auch in ihrer Trauer nicht allein gelassen werden. "Manche Angehörige bringen angesichts des Todes eines lieben Menschen sehr viel Kraft auf, besonders auch sehr gläubige Menschen. Sie sind ja in der Regel bis zur Beerdigung umgeben von vielen, die es gut meinen, aber dann sind sie oftmals allein, dann kommt der Zusammenbruch und gerade in dieser Zeit brauchen sie die Unterstützung ihrer Familie, von Freunden und Nachbarn sowie von Seelsorgern."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 16 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 20.04.2007

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