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Das 180-Sekunden-Programm:

Rituale im Umkreis des Todes waren Thema bei der Jahrestagung der Katholischen Ärtzearbeit Deutschla

Schmochtitz - "Abschiednehmen" hieß das Thema der Jahrestagung der Katholischen Ärztearbeit im Bischof-Benno- Haus Schmochtitz. Dabei ging es auch um "Rituale im Umkreis des Todes".

"Der Tod kehrt wieder in die Gesellschaft zurück." Diese Feststellung macht der Klinikpfarrer des Uniklinikums in Mainz, Dr. Erhard Weiher, bei seiner Arbeit. In den vergangenen Jahrzehnten hatte der medizinische Fortschritt zur Verdrängung von Sterben und Tod aus der Öffentlichkeit geführt. Wenn die Medizin etwas gegen den Tod tun kann, wozu braucht es dann noch die Religion? So hieß die folgerichtige Frage. Heute ist das Sterben zwar ein durch die Medizin verlängerter Prozess und manche Krankheit, die früher zum Tod geführt hat, ist heilbar, aber gleichzeitig wird der Umgang mit dem Sterben als etwas entdeckt, dass zum glaubwürdigen Mensch- Sein gehört. Die Hospizbewegung ist ein Ausdruck dafür.

Diese Rückkehr des Todes in die Gesellschaft verlangt für Pfarrer Weiher von den "Professionellen – ich meine damit nicht nur die Seelsorger, sondern alle, die beruflich mit Sterbenden zu tun haben", ein entsprechendes Verhalten. Dabei gehe es nicht nur um den Umgang mit dem Sterbenden, sondern auch um die Trauernden: "Die Trauernden sind nicht nur Menschen, die beim Tod eines anderen dabeistehen. Sie sind zutiefst Betroffene", sagt Pfarrer Weiher. Seine zentrale Feststellung lautet deshalb: "Was in der Todeszeit geschieht, hat Auswirkungen auf die anschließende Trauer."

Besonders wichtig ist ein solches Engagement in der von Pfarrer Weiher so genannten Trauerschleuse. Er meint damit die Zeit zwischen dem Eintritt des Todes und dem Abschied von dem Verstorbenen. Dabei sei es wichtig, den Unterschied zwischen den objektiven Kriterien und dem subjektiven Erleben zu beachten. "Auch wenn der Mediziner den Tod festgestellt hat, ist für den Trauernden die Kommunikation mit dem Verstorbenen noch nicht erloschen. Die Frau deckt ihren gerade verstorbenen Ehemann mit einer Decke zu, damit er nicht friert. Es ist doch so kalt." Die Ausgangstür aus der Trauerschleuse, die sich objektiv mit der Beerdigung schließt, schließt sich für Trauernde oft erst im weiteren Verlauf der Trauerzeit. "Diese Trauerschleuse braucht Schleusenwärter. Und das sind wir, die Professionellen. Wir haben für die Betroffenen diese Übergangszeit zu ermöglichen und zu schützen."

Eine Hilfe sind für Pfarrer Weiher dabei die Rituale. "Sie erklären den Tod zwar nicht, aber sie geben dem Geschehen einen Sinn", sagt er. Diese Rituale sind nicht nur eine Sache der Seelsorger. Er machte auch dem medizinischen Personal Mut, entsprechende Rituale in der Todesstunde zu vollziehen. "Das ist wichtig, weil der Trauernde sich in der unmittelbaren Zeit nach dem Tod nicht — wie lange angenommen – in einer Art Narkose- Zustand befindet, in dem er sowieso nichts mitbekommt. Untersuchungen haben ergeben, dass solche Erfahrungen oft die entscheidensten Lebenskrisen sind. Deshalb darf diese Stunde nicht übergangen werden." Auch Mediziner können hier vieles falsch machen: "Der Arzt kann den Trauernden gleich nach dem Tod die Akte zur Unterschrift hinhalten oder er kann dem Verstorbenen behutsam die Augen schließen und ihm noch einmal über das Gesicht streicheln. In diesen Augenblicken können tausende Stunden Trauer erleichtert oder erschwert werden: Mit einer liebevollen Geste wird das Schlimme zwar nicht schön. Aber es wird gut."

Den Medizinen empfahl der Pfarrer ein 180-Sekunden-Programm: Nach der Todesfeststellung sei ein Augenblick der Stille angebracht. Daran könne sich eine kurze Würdigung des Verstorbenen anschließen. Wichtig sei außerdem eine Würdigung der Angehörigen und ihrer Leistung bei der Sterbebegleitung. Am Ende könne dann durchaus eine Formel wie "Herzliches Beileid" stehen und der Hinweis auf die Erreichbarkeit bei weiteren Fragen. "Das dauert drei Minuten und bedeutet keine Mehrarbeit. Dem Trauernden aber kann es die Situation sehr erleichtern."

Pfarrer Weiher zählte eine Reihe weiterer Hilfen für Trauernde durch die Professionellen auf: So könnte den Trauernden angeboten werden, gemeinsam zu dem Verstorbenen zu gehen. Die Profis sollten den Toten berühren: "Sie sind hier Modell für die verunsicherten Umstehenden." Bei der Sprache sollte auf die Verwendung von Beziehungswörtern geachtet werden: "Es geht nicht um einen Toten oder eine Leiche, sondern um einen Verstorbenen." Wichtig sei die Würdigung der Lebens- und Todesgeschichte. Dagegen riet Pfarrer Weiher von Sätzen wie "Sie müssen jetzt an die Kinder denken" oder "Sie haben ja noch den Hund" dringend ab. "Machen Sie den Angehörigen auch Mut, ihrem Verstorbenen noch etwas zu sagen. Kinder haben beispielsweise keine Scheu, ihrem verstorbenen Schwesterchen oder Brüderchen noch etwas ins Ohr zu flüstern. Und die Erwachsenen machen es dann nach."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 17.05.2007

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