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Aus der Region

Die Muschel weist den Weg

Auf dem Jakobus-Pilgerweg unterwegs durch Sachsen-Anhalt

Am vergangenen Samstag waren auf dem Jakobsweg in Sachsen-Anhalt rund 25 Pilger unterwegs zwischen Magdeburg und Schönebeck. Begleitet wurden sie von Willi Kraning (Dritter von rechts). Foto: Uwe Naumann

Magdeburg - Die St. Jakobus- Gesellschaft Sachsen-Anhalt organisiert in diesem Jahr 14 Pilgeretappen auf dem mit der Jakobsmuschel markierten Jakobus-Pilgerweg. Auf jeweils etwa 20 Kilometer langen Abschnitten geht es bis Oktober von Tangermünde nach Freyburg.

Ein nassgrauer Samstagmorgen in Magdeburg. Auf der Sternenbrücke über der Elbe begrüßen sich gutgelaunte Menschen, die meisten mit Wanderschuhen, Regenkleidung und Rucksäcken ausgestattet. Sie wollen pilgern. Langsam formiert sich aus ihnen eine Gruppe von knapp 25 Leuten, in deren Mittelpunkt Willi Kraning steht.

Der Magdeburger Seelsorger ist an diesem Tag ihr Pilgerbegleiter. Kurz bevor wieder strömender Regen einsetzt, eröffnet er mit einem ersten geistlichen Impuls, einer "Naturmeditation", die fünfte Etappe des Samstagspilgerns: Von der Landeshauptstadt etwa 18 Kilometer den Jakobus-Pilgerweg elbaufwärts bis ins südlich gelegene Schönebeck.

"Von den Vögeln lernen, Höhe zu gewinnen, von den Bäumen lernen, Stand zu gewinnen, von der Sonne lernen, Wärme zu geben." Unter anderem diese besinnlichen Worte gibt Kraning den Menschen heute mit auf den Weg, um dann fast im Vogelfl ug die ersten Kilometer zurückzulegen und dabei standhaft dem Regen zu trotzen, von Sonne keine Spur. Aber die angeregten Gespräche unter den Pilgern, fast die Hälfte kennt sich bereits von vorangegangenen Etappen, machen das Wetter schnell zur Nebensache. Zudem erfüllt unerwartet viel Grün den Blick der Wanderer und lässt die unmittelbare Großstadt vergessen.

Unbemerkt wird die Stadtgrenze passiert. Die meist gläubigen Menschen unterhalten sich über den Beruf, die Kirchgemeinde oder das Private, denken aber auch über das Pilgern nach. "Das ist ein Weg zu mir selbst und ein Weg zu Gott", sagt Thomas Genzer aus Genthin. Der Familienvater wolle gern auch einmal auf dem spanischen Jakobsweg pilgern, so wie es Hape Kerkeling getan hat, dessen Buch "Ich bin dann mal weg" er mit Begeisterung gelesen habe. "Das hat viel mit Gottvertrauen zu tun", ist sich der 44-Jährige sicher. Auch Gisela Kliche aus Burg hat Kerkelings Pilgerbericht fasziniert. Tagelang gepilgert sei sie bislang noch nicht, aber sie möchte gern bei weiteren Etappen des Samstagspilgerns dabei sein.

Nach etlichen Kilometern auf dem Elbdamm biegt der mit der Jakobsmuschel markierte Pilgerweg zwischen Wiesen und Feldern in den Wald, um dann in Randau auf das erste Dorf zu treffen. Die grauen Regenwolken konnten mit den Pilgern schon nicht mehr Schritt halten und blieben zurück, doch auch die Pilgergemeinschaft ist nun grüppchenweise weit auseinandergerissen.

In der Randauer Dorfkirche, einem orgelberaubten klassizistischen Gotteshaus mit gestutztem Kirchturm, kommen die Pilger dann wieder zusammen, als die Gemeindepädagogin Annett-Petra Warschau über die traurige Geschichte der Kirche und die fi - nanziell schwierige Situation in der Gemeinde berichtet. Nach einer besinnlichen Zeit in Stille und Gebet führt Pilgerbegleiter Willi Kraning die hungrige Gruppe zu einem Rastplatz und dann auf die letzten vier Kilometer.

Etwa eine Stunde früher als erwartet trifft die Pilgergruppe an der mächtigen evangelischen Kirche St. Jakobi in Schönebeck ein, wo die Gemeindemitarbeiterin Gerlinde Muth für die Pilgerpassbesitzer einen Stempel bereithält. Willi Kraning nutzt die abschließende Ruhemöglichkeit in der Jakobus-Kirche für eine Andacht, deren Kernaussage so mancher Pilgerneuling auf diese Etappe beziehen mag: "Wir sind so schnell gegangen, dass wir nicht mehr wissen, was wir tun. Wir möchten nun warten, dass unsere Seele nachkommt."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 24.05.2007

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