Rechtlich selbständiger Verein
Interview mit dem Leiter der rechtlichen Abteilung des bischöflichen Ordinariats Dresden: Christoph
Die Situation des Kolping-Bildungswerkes Sachsen, für das zurzeit das Insolvenzverfahren läuft, wirft viele Fragen auf. Dafür sorgte vor allem die erste Bilanz, die der Insolvenzverwalter kürzlich gezogen hat (Tag des Herrn Nr. 31, Seite 9). In einem Interview für unsere Zeitung äußert sich der Leiter der Rechtsabteilung des Bischöflichen Ordinariates in Dresden, Christoph Pötsch:
Frage: Die Caritas-Trägergesellschaft Trier, die Deutsch-Ordenswerke, nun das Kolping-Bildungswerk-Sachsen e.V. - sind die christlichen Sozialunternehmen in der Krise?
Pötzsch: Die genannten sicher. Jedoch darf man nicht die vielen Vereine, Sozialstationen, Altenheime und anderen Einrichtungen in Deutschland vergessen, die großartige und unspektakuläre Arbeit leisten. So ärgerlich und dramatisch auch die genannten Fälle sind, man darf sie nicht statistisch hochrechnen. Im Verhältnis zur Wirtschaft stehen christliche Sozialunternehmen hinsichtlich ihrer Bestandssicherheit keinesfalls schlechter da, eher besser.
Frage: In welchem Zusammenhang steht das in die Insolvenz geratene Kolping-Bildungswerk Sachsen mit dem Bistum Dresden-Meißen?
Pötzsch: Rechtlich in keinem. Es gibt weder Aufsichtsrechte noch Genehmigungsvorbehalte des Bistums für den Verein, Haftungserklärungen in der Satzung schon gar nicht. Aus diesem Grund hat das Bistum in den Jahren dem Verein nie hineingeredet, schon weil das gar nicht möglich war. Nichts desto weniger bedauern wir die eingetretene Situation sehr.
Natürlich führt der Name "Kolping" zur Annahme, dass dieser Verein von der Kirche getragen wird. Aber das ist nicht so. Das Kolping-Bildungswerk Sachsen ist ein rechtlich selbstständiger Verein, der für sich selbst Verantwortung trägt. Er ist kein kirchlicher Verein und hat diesen Status auch nie beantragt. Man darf den Verein nicht mit den Kolpingsfamilien und -gruppen verwechseln, die in den Pfarreien tätig sind.
Frage: Der Insolvenzverwalter hat unlängst in einer Pressekonferenz sein Bedauern geäußert, dass sich das Bistum nicht an der Sanierung beteiligt.
Pötzsch: Der Insolvenzverwalter ist ein Profi. Er hat, und das ist nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht, alle Möglichkeiten auszuloten, um finanzielle Mittel für die Sanierung zu bekommen. Seine zu Beginn des Insolvenzverfahrens geäußerte Forderung an das Bistum ist leiser geworden, weil er natürlich die Lage überschaut. Uns an der Sanierung zu beteiligen, ist nicht möglich, da wir die Ursachen für das Desaster nicht gesetzt haben. Außerdem geht es hier um Summen, die für uns außerhalb jeglicher Vorstellungen stehen. Die Gesamtverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren sollen bei 240 Millionen Mark liegen. Unser Jahreshaushalt, mit dem unter anderem alle 145 Pfarreien mit ihren pastoralen und baulichen Anliegen bedient werden müssen, beträgt nicht mal 100 Millionen Mark. Zudem ist das Geld ja nicht unser Eigentum. Es sind Kirchensteuermittel, die wir letztlich nur treuhänderisch verwalten.
Im Gespräch, das der Insolvenzverwalter vor längerer Zeit mit uns führte, legte er zudem dar, dass der Kernbereich, nämlich der Ausbildungssektor, gesund sei und durch neue Trägerschaften gerettet werden könne.
Frage: Aber der Bischof hat dem Verein ein Darlehen von 4,5 Millionen Mark gegeben.
Pötzsch: Nicht der Bischof gibt Darlehen so einfach und allein. Der Vermögensverwaltungsrat wie auch das Domkapitel als Konsultorenkollegium wirken dabei mit.
Das Darlehen zu geben, war eine richtige Entscheidung, auch wenn damals von der Geschäftsführung des Kolping-Bildungswerkes dem Bistum die wahre Situation des Vereins nicht dargelegt wurde. Aber damals ging es um die Aufrechterhaltung des Bildungssektors. Man muss sich immer verdeutlichen, dass die Zielgruppe des Kolping-Bildungswerks benachteiligte Jugendliche sind, die in der freien Wirtschaft keine Chancen haben.
Außerdem hatte das Kolping-Bildungswerk vor ein paar Jahren schon einmal ein Darlehen beim Bistum aufgenommen und zurückgezahlt.
Frage: Hat das Bistum seine Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet?
Pötzsch: Natürlich, wir waren sogar die ersten, was uns bereits zum Vorwurf gemacht wurde. Aber wir können letztlich nichts dafür, wenn andere langsamer waren. Anmelden mussten wir die Forderung schon allein deshalb, weil es Kirchensteuermittel sind und wir deshalb in der Pflicht stehen. Der Insolvenzverwalter hatte übrigens zunächst unserer Forderungsanmeldung widersprochen, wohl um zu demonstrieren, dass er uns für haftbar hält. Diese Entscheidung hat er inzwischen revidiert.
Frage: Gegen die Geschäftsführer des Kolping-Bildungswerkes hat der Insolvenzverwalter mittlerweile Strafanzeige gestellt. Lässt sich die Schuld an der eingetretenen Situation allein an ihnen festmachen?
Pötzsch: Das wird letztlich erst nach Beendigung des Insolvenz- und des Strafverfahrens zu beantworten sein. Und die Bewertung liegt nicht bei uns.
Frage: Kann ein vergleichbarer Fall für einen Verein, zum Beispiel den Caritasverband, eintreten, bei dem sich das Bistum tatsächlich in der Pflicht fühlt?
Pötzsch: Theoretisch ist alles möglich. Beim Caritasverband in unserem Bistum halte ich dies aber für unwahrscheinlich. Der Caritasverband ist kontinuierlich gewachsen und konzentriert sich ausschließlich auf seine eigenen Aufgaben. Reisebüros und Hotels unterhält er zum Glück nicht. Eine solche Verzettelung ist ja offensichtlich dem Kolping-Bildungswerk zum Verhängnis geworden.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 31.08.2001