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Anstoß

Nicht nur in der Sahara

Erfahrungen mit der Wüste

Kaplan Marko Dutzschke

In der Wüste war ich bisher nur als Tourist in einem klimatisierten Bus unterwegs. Darum kann ich mir nur vorstellen, wie es ist, auf dem Rücken eines Kamels zu sitzen und mich durch die Dünen tragen zu lassen. Die Sonne bringt mit ihren Strahlen den Sand zum Kochen und irgendwo am Horizont zeichnen sich die Umrisse einer großen Oase ab, zu der wir unterwegs sind. Aber was, wenn die Palmen nicht mehr sind als ein Flimmern in der Luft, eine Fata Morgana? Für den Touristen auf der Suche nach einem Abenteuer sicher eine aufregende Vorstellung! Für den Wüstenwanderer, der nach vielen Tagen erschöpft nach einer rettenden Oase sucht, eine Katastrophe. Mit der Fata Morgana löst sich jede Hoffnung auf Rettung buchstäblich in Luft auf.

Um Wüste zu erleben, braucht man nicht unbedingt eine Reise in die Sahara zu machen. Es gibt Wüstenerfahrungen direkt vor der eigenen Haustür; Wüsten, die ohne den heißen Sand oder die brennende Sonne auskommen.

Als Urlauber hat man Pech gehabt, wenn man nach zwei Wochen feststellt, dass die schönen Prospekte nicht mehr waren als eine Fata Morgana. Der Sandstrand war nicht aus Sand, die Gegend war nicht besonders schön und das Hotel eher eine Jugendherberge. Die schöne Urlaubsoase aus der Werbung hat sich in Luft aufgelöst. Man wird sich kein zweites Mal an diesen Ort verirren.

Auch ein Arbeitsuchender kann sich mitunter wie ein einsamer Wüstenwanderer fühlen. Wenn eine Absage nach der anderen kommt und sich ein Arbeitsplatz nach dem anderen als Fata Morgana entpuppt, der man vergeblich nachgelaufen ist. In so einer Wüste ist schnell jedes Mittel recht, um an einen Schluck Wasser zu kommen. Jeder Arbeitsplatz zählt und so wird auch ein Plastinarium in Guben gefeiert, weil es Arbeit bringt, wo sonst nichts zu holen ist. Später wird sich einmal zeigen, dass Arbeit um jeden Preis nicht der richtige Weg ist.

Ein Christ kann das Leben in der Diaspora wie eine Wüstenwanderung empfinden. Ostdeutschland gilt vielen als Glaubenswüste. Vielleicht passt der Begriff Kirchenwüste besser. Aber wie auch immer: Wüste ist Wüste! Gut, dass wir Oasen haben; lebendige Gemeinden und Gegenden, in denen der Kirchturm seinen Platz in der Mitte behalten hat. Aber auch in dieser Wüste besteht die Gefahr, einer Fata Morgana aufzusitzen. Deshalb ist der Wüstenwanderer gut beraten, nie ohne Führer unterwegs zu sein. Und vielleicht ist darum in unserem Bistum Görlitz die Freude über den neuen Bischof groß. Sein Leitspruch aus dem Epheserbrief "Denn er ist unser Friede" führt ins Zentrum des Glaubens. Und der Weg zu Christus kann kein Irrweg sein.

Kaplan Marko Dutzschke,
Görlitz

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 26 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 28.06.2007

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