Ein großes Wir-Gefühl
Dresdner Katholikentreffen vor 20 Jahren stärkte den Zusammenhalt der Katholiken in der DDR
Für den Dresdner Prälat Dieter Grande war das Katholikentreffen 1987 ein Schritt auf dem Weg zur Friedlichen Revolution in der DDR. "Es war einer der Tropfen, der in den Becher musste, damit er überläuft", meint er heute, 20 Jahre nach dem Ereignis, an dem vom 10. bis 12. Juli bis zu 100 000 katholische Christen teilnahmen. Grande war damals Dompfarrer in der Stadt und beim Katholikentreffen für die Aufführung des Kindermusicals "Noah unterm Regenbogen" zuständig. In den 90er Jahren hat er sich noch einmal intensiv mit diesen Tagen beschäftigt: Als Leiter der Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung der Stasitätigkeit gegenüber der katholischen Kirche hat er zusammen mit seinem Mitarbeiter Bernd Schäfer an diesem Beispiel die Kirchenpolitik der SED untersucht.
Dass das Katholikentreffen solche politische Auswirkungen haben würde, war nicht beabsichtigt. Zuallererst ging es darum, das Zusammengehörigkeitsgefühl der katholischen Christen in der DDR zu stärken. Das war in der damaligen Situation besonders wichtig. Grande: "Bei jedem stand doch die Frage: Bleibe ich in der DDR oder geh ich weg? Die Antwort bei vielen war am Ende: Wir bleiben hier und wollen hier Kirche leben." Letzteres war auch eine Erkennntnis für die katholische Kirche als ganze, denn sie nahm 1988/89 nicht wie ursprünglich beabsichtigt nur als Beobachter, sondern als Mitglied an der DDRweiten Ökumenischen Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung teil. Für Prälat Grande ist auch das eine Frucht des Katholikentreffens. Eine andere Folge war die Einrichtung der Pressestelle der Bischofskonferenz, mit der die katholische Kirche stärker als bis dahin üblich in die MedienÖffentlichkeit trat. "Das Katholikentreffen hatte gezeigt, dass Medienarbeit für die katholische Kirche in der DDR möglich war, wenn man es nur richtig machte", sagt Grande, der die Pressestelle der Bischofskonferenz dann leitete.
Dass es den Bedarf für eine DDR-weite katholische Großveranstaltung gab, war Anfang der 80er Jahre deutlich geworden. 1981 fand in Erfurt eine Wallfahrt aus Anlass des 750. Todestages der heiligen Elisabeth statt, zu der 65 000 Katholiken aus allen Teilen der DDR gekommen waren. Schon bald danach begannen die Überlegungen für das Treffen in Dresden. Die Staat-Kirche-Beziehungen waren hier etwas besser als anderswo. Das lag auch an konkreten Personen (später in der Wendezeit kurzzeitig Hoffnungsträger) wie Hans Modrow (seit 1973 Chef der SED-Bezirksleitung) und Wolfgang Berghofer (ab 1986 Oberbürgermeister der Stadt).
Schwierig genug waren die Vorbereitungen trotzdem. Vor allem ein ins Gespräch gebrachter Papstbesuch während des Katholikentreffens gefährdete das ganze Unternehmen. Grande: "Hier gab es von Seiten des Staates ein ganz klares Nein!" Immerhin konnte der Papst einen hochrangigen Vertreter schicken: Kardinal Josef Ratzinger (heute Papst Benedikt XVI.) hielt vor Priestern und pastoralen Mitarbeitern zwei Vorträge und feierte mit ihnen einen Gottesdienst.
Es waren vor allem einige Bischöfe und die in Berlin für die Kontakte zu den staatlichen Stellen zuständigen Vertreter der katholischen Kirche, die von sich aus bemüht waren, die Auseinandersetzungen mit den DDRMächtigen in Grenzen zu halten. Das Katholikentreffen sollte einen Wallfahrtscharakter haben und sich von den in Westdeutschland üblichen Katholikentagen unterscheiden, betonten sie deshalb. Und bei einer Wallfahrt ist nur wenig Platz für Diskussionen zu kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Fragen. Dafür war das kleine Katholikentreffen mit 3000 Delegierte gedacht, bei denen Vertreter der Pfarrgemeinden brennende Fragen des Christseins unter DDR-Bedingungen besprachen.
Im Rückblick findet Prälat Grande, dass die Betonung des Wallfahrtscharakters "kein Verlust" war: "Das starke Erlebnis eines Wir-Gefühls hätten wir nicht gehabt, wenn in Diskussionsveranstaltungen die ganze Pluralität der Meinungen deutlich geworden wäre, die es innerhalb der katholischen Kirche in der DDR natürlich auch gab. Ein Gesprächsprozess zwischen Bischöfen, Priestern und Laien ist trotzdem zustande gekommen. "
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.07.2007