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"In Gold, Silber und Seide gewickelt und in einer silbernen Wiege liegend"

Msgr. Eberhard Prause über Elisabeth von Thüringen

Gedenktage sind dazu geeignet, uns historische Persönlichkeiten wie durch eine große Jahreswelle frei zu spülen und in Erinnerung zu rufen. Dieses Jahr ist es Elisabeth von Thüringen, deren Geburtstag vor 800 Jahren gewesen sein muss. Der genaue Tag ihrer Geburt ist nirgends historisch nachweisbar. Sicher aber ist, dass sie 1207 geboren wurde, das weiß man aus späteren Urkunden und vor allem aus der recht frühen Biographie eines Erfurter Dominikaners, Dietrich von Apolda, der von 1289 -1297 Elisabeths Leben eingehend beschrieben hat, also etwa 50 Jahre nach ihrem Tod. Vermutlich hat auch er den Geburtstag nicht gewusst.

Warum aber kommt ein so kleines Kind von nur vier Jahren von Ungarn nach Thüringen? War das nicht grausam für die Eltern und das Kind? In dieser Zeit war das durchaus unter Adeligen eine sehr oft geübte Form, sich durch Kinder neue Verwandtschaften zu schaffen. Allerdings setzte man voraus, dass das Kind in eine neue Familie kam und dort mit Gleichaltrigen aufwuchs. Die Eltern von Elisabeth waren das Königspaar, das in dieser Zeit in Ungarn herrschte.
Der Vater Andreas, ein ungarischer Adliger, regierte über 30 Jahre, aber sehr glücklos. Er vermochte den gesellschaftlichen Wandel im Adel nicht aufzuhalten. Er verlor immer mehr an Einfluss. Hinzu kam, dass seine erste Frau Gertrud von Andechs-Meranien, eine Deutsche, die unter den Ungarn sehr unbeliebt war. Sie galt als äußerst herrschsüchtig, ehrgeizig und einflussreich. Sie beging außerdem den Fehler, die Deutschen in Ungarn zu bevorzugen, vor allem ihre eigenen Verwandten und deren Gefolgschaft. Sie nutzte ihre Position als Herrscherin auf dem ungarischen Königsthron dazu aus, ihre politischen Ziele durchzusetzen. Dazu waren ihr auch ihre fünf Kinder nicht zu schade.
Sie wurden dazu eingesetzt, in anderen Königshäusern Einfluss und damit Macht zu gewinnen. Der älteste Sohn Béla IV. folgte 1235 nach dem Tod des Vaters auf den ungarischen Thron.
Tochter Elisabeth wird bereits kurz nach ihrer Geburt an den Hof des Landgrafen von Thüringen versprochen. Auch ihre drei noch jüngeren Geschwister traf das gleiche Schicksal: Koloman wurde nach Polen gegeben, Andreas zum Hochadel nach Russland und Maria, die Jüngste, nach Bulgarien. Alle im Kindesalter. Man könnte sagen, nur gut, dass das so war, denn die Mutter hatte sich so verhasst gemacht, dass sie 1213 bei einer Rebellion und einem vorgetäuschten Jagdunfall ermordet wurde. Da war Elisabeth schon zwei Jahre außer Landes. Vielleicht sieht man zu wenig, dass diese Tragödie mit ihrer Mutter, wovon sie ja später erfahren hat und wusste, mit ein Grund war, dass sie sich vom höfischen Leben immer mehr abwandte und sich zu den einfachen Leuten hingezogen fühlte. Sie stellte im Laufe der Jahre immer mehr ihre gesellschaftliche Position und deren Privilegien infrage, nicht nur wegen der Armen, sondern, weil sich darin nicht wohlfühlte. Die zeitgenössischen Quellen enthalten nichts über die Verlobung Elisabeths mit Ludwig, dem ältesten Sohn des thüringischen Landgrafen Hermann I. Man weiß nur, dass sie als Kinder gemeinsam aufgewachsen sind. Und dass sie damit eine für diese Zeit hohe Bildung besaßen.
Dietrich von Apolda berichtet 50 Jahre später von der Überbringung Elisabeths von Pressburg nach Thüringen auf die Wartburg in einer feierlichen Gesandtschaft. Königin Gertrud beschenkte die deutschen Gesandten mit königlichen Gaben und übergab ihnen das Kind "in Gold, Silber und Seide gewickelt und in einer silbernen Wiege liegend". Sie fügte zahlreiche Gold- und Silbergefäße, kostbare Diademe, vielerlei Schmuck, einen silbernen Badezuber, Purpur- und Seidenstoffe und viele andere wertvolle Gegenstände hinzu, übergab den Gesandten eine sehr hohe Geldsumme und kündigte weitere Zahlungen an. "In Thüringen angelangt, wo nie zuvor so schöne, wertvolle und viele Schätze gesehen worden waren, wurde Elisabeth und der Gesandtschaft ein glanzvoller Empfang bereitet."
Hierin baut sich in der Schilderung Dietrich von Apoldas geradezu das Kontrastprogramm auf, wie Elisabeth einmal ihr Leben gestalten wird und wie sie schließlich stirbt. Der ganze Reichtum, der mit ihr von Ungarn nach Thüringen kommt, in dem sie geradezu schwimmt, wenn man an die silberne Badewanne denkt, wird von ihrer Hofdame Isentrud als Augenzeugin bestätigt. Später, als sie Witwe ist, wird man auf diese überbrachten Schätze und das Geld zurückkommen und ihr das Doppelte dieses Betrages auszahlen, als Wittum. Sie bezahlte davon die Schulden ihres Mannes und baute in Marburg ein Spital und verschenkte, soviel sie nur konnte. Konrad von Marburg, ihr geistlicher Berater, schildert uns ihr Leben in Demut und Selbstverleugnung wie in einem Schlaglicht: "Die Elenden und Verachtetsten setzte sie an ihren eigenen Tisch, und als ich sie deshalb tadelte, erwiderte sie mir, sie empfange von ihnen sonderliche Gnade und Demut, und ...müsse, was hinter ihr liege durch das Entgegengesetzte auszugleichen und zu heilen suchen." Hier ist es wieder, das Entgegengesetzte. Wenn man an ihre Mutter denkt und an die Macht und den Reichtum und ihr bevorzugtes Leben auf der Wartburg oder einer der anderen Burgen, so hat sie geradezu instinktiv ein anderes Leben gesucht. Es waren nicht allein die Armen, die sie dabei sah und meinte, sondern den, den sie am meisten liebte: Jesus Christus. Schade, dass wir von dieser Art ihrer Christusliebe so wenig wissen. Vielleicht hätte sie uns aber wie andere Heilige auch geantwortet: "Secretum meum nihi", "das ist mein Geheimnis", das Geheimnis meiner Christusliebe.
Auf jeden Fall ist es lächerlich wenig, sie auf eine sozialtätige Frau ihrer Zeit zu reduzieren. In den Armen hat sie Christus geliebt. Und manchmal musste man sie dabei vor sich selber schützen, dass sie nicht alles auf einmal weggab mit ihrem ganz persönlichen Programm: "Wir sollen die Menschen froh machen."
Konrad von Marburg verbot ihr, einem Armen mehr zu geben als einen Groschen, dann erlaubte er ihr nur noch Brot zu geben. Schließlich nur noch das Brot in kleinen Stücken zu verteilen. Sie verschenkte mit vollen Händen nach allen Seiten.
Im Leben der Elisabeth begegnet uns das konkrete Sich-Einlassen auf die reale Armut mitsamt der körperlichen Arbeit. Das musste zum Konflikt mit ihren Standesgenossen führen. Denn was Elisabeth tat, war in deren Augen im höchsten maße unanständig. Ein Historiker (Otto Gerhard Oexle) urteilt: "Gerade dieser Gegensatz von Armut/Arbeit und Stand ist es, der die fast unglaubliche Wirkung des Lebens dieser Frau schon vor ihrem Tod und erst recht danach herbeigeführte und auch bewirkte, dass Elisabeth bis zum heutigen Tage als ‚Inbegriff christlicher Hilfe für Arme und Kranke ...gilt'." (S. 79)
Es wäre aber ein einseitiges Elisabeth-Bild gezeichnet, sie nicht auch als Landgräfin, als Frau und Mutter zu sehen. Es gibt Urkunden ihres Mannes, Ludwig IV., da tritt sie uns nicht als "Heilige" oder dem Armutsideal verpflichtet entgegen, sondern als Fürstin an der Seite ihres Mannes. Sie stand an der Spitze eines der glänzendsten Fürstenhöfe ihrer Zeit. Insgesamt fünf Mal erscheint sie als Landgräfin in Urkunden ihres Mannes. Sie verstand es durchaus, ihre Stellung und ihre Macht in ihrem Sinne zu nutzen.
Sie steht im Briefwechsel mit Papst Gregor IX., der sie dem Inquisitor Konrad von Marburg anvertraut. Sie ist eine weit über Thüringen hinaus bekannte und angesehene Frau. Wie die beiden großen Ordensgründer des 13. Jahrhunderts, Franziskus und Dominikus, ist auch Elisabeth bereits wenige Jahre nach ihrem Tod heiliggesprochen worden, was bei ihr auch ein Akt von politischer Bedeutung war.
Eine ihrer großen Leistungen war es, dass sie 1226 bei einer großen Hungersnot in Abwesenheit ihres Mannes das Korn aus den landgräflichen Speichern gerecht verteilen ließ. Ebenso, dass sie unterhalb der Wartburg ein Hospital errichtete. Sie begleitete ihren Gatten auf Reisen und erfüllte durchaus ihre standesgemäßen Pflichten.
Als Ehefrau muss sie eine geradezu stürmisch Liebende, in jeder Hinsicht treue Ehefrau gewesen sein. Bei seiner Abfahrt zum Kreuzzug 1226 begleitet sie Ludwig und kann sich nicht von ihm trennen, reitet noch mehrere Tage mit und erträgt den Trennungsschmerz kaum. Als man ihr seinen Tod meldet, ist sie wie von Sinnen: "Gestorben?, dann ist mir die Welt gestorben und alles, was die Welt mir bieten kann." Wenig ist von Elisabeths drei Kindern die Rede. Hermann II., Landgraf von Thüringen, stirbt mit 19 Jahren, Sophie von Brabant und Gertrud, Meisterin von Altenberg, überleben ihre Mutter bei weitem und werden 60 bzw. 70 Jahre alt. Aber ab der Zeit in Marburg gibt sie die Kinder in fremde Obhut. Es ist aus heutiger Sicht schwer mit zu vollziehen, warum die Kinder so weit zurücktreten hinter der allgemeinen Liebe zu den Armen.
Als der Vater Ludwig stirbt, ist Hermann fünf, Sophie drei Jahre und Gertrud wird drei Wochen danach erst geboren. Als Elisabeth 1231 stirbt, sind die Kinder neun, sieben und vier Jahre alt. Sie selbst wurde mit vier Jahren aus der Familie gegeben. Vielleicht kann man ihre Entscheidung von daher verstehen. Es scheint, als seien die Kinder die Opfer ihres heiligmäßigen Lebens. Nur einer der Umstände, die heut schwer verständlich sind. Im Beisein ihres Beichtvaters Konrad sagt sie sich am Karfreitag 1228 in einem Gelübde von ihren Eltern, ihren Kindern, ihrem eigenen Willen und allem Glanz der Welt los.
Sie trägt nun das graue Gewand einer Hospitalschwester und bekommt die Haare abgeschnitten. Sie wurde eine "soror saeculo", eine "Schwester in der Welt", nicht hinter Klostermauern, sondern ganz in der Welt wirkend. Sie wohnt mit anderen Frauen und Männern in einer Spitalgenossenschaft. Dass ihr geistlicher Begleiter und Beichtvater sie geohrfeigt, gegeißelt und gedemütigt hat, er ein verhasster Inquisitor war und erschlagen wurde, dieser Konrad von Marburg, das scheint wie ein Schatten in diese Zeit zu gehören.
Es gibt aus dem 14. Jahrhundert ein Pilgerzeichen von Marburg. Darauf ist Christus abgebildet. Darunter nebeneinander Elisabeth und Franz von Assisi (1182 -1226). Beide mit einer Krone. Das ganze kurze Leben der Heiligen Elisabeth ist nur zu verstehen aus der Armutsbewegung des 13. Jahrhunderts heraus.
Franziskus ist das große Idol dieser Zeit; der Orden der Franziskaner breitet sich in Windeseile über ganz Europa aus. An der Stelle der später vom Deutschen Orden gebauten Elisabeth-Kirche in Marburg stand zuvor eine Franziskaner-Kirche.
Elisabeth repräsentiert keinen Einzelweg, sondern das christliche Armutsideal dieser Zeit. In diesem speziellen Leben natürlich im absoluten Widerspruch zur adligen Umgebung, die ja die Träger von Reichtum und Macht waren. Mit Franziskus verbindet Elisabeth der Weg aus überbordendem Reichtum und Glanz hinein in die Liebe zum gekreuzigten Christus und in die Liebe zu den Armen, in denen sie Christus selbst sehen.
Als Elisabeth mit nur 24 Jahren, am 17. November 1231 stirbt, setzt unmittelbar danach ihre Verehrung durch alle Schichten der Bevölkerung ein. Ihr Schwager, Landgraf Konrad, betreibt in Rom bei Papst Gregor IX. die Heiligsprechung. Und schon vier Jahre nach ihrem Tod, am Pfingstsonntag 1235, dem 27. Mai, wird sie zur Ehre der Altäre erhoben. Selbst der Kaiser kommt daraufhin nach Marburg, um bei der Öffnung des Grabes, am 1. Mai 1236, anwesend zu sein. Barfuß geht Friedrich II. dem Zug voran, entnimmt dem Leichnam den Kopf und setzt der toten Heiligen eine goldene Krone auf. Die irdische Krone soll auf die himmlische Krone der Heiligen hinweisen. Eine unübersehbar große Menschenmenge ist Zeuge der Ereignisse.
Die Verehrung der Heiligen Elisabeth ist von dieser Zeit her durch fast 800 Jahre auf uns gekommen. Es ist erstaunlich, wie lebendig ihr Leben vor unseren Augen steht.

Quellen: Sankt Elisabeth, Fürstin -Dienerin -Heilige, Sigmaringen 1981 / Eberhard Leppin, Die Elisabethkirche in Marburg, Freiburg 1980.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 0 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 11.07.2007

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