Ziele bestimmen und handeln
Caritas-Vorsitzender Scholz über die Magdeburger Diözesancaritas
Herr Ordinariatsrat Scholz, seit schon bald fünf Monaten sind Sie Vorsitzender des Diözesan- Caritasverbandes im Bistum. Eine Zeit, in der Sie sich einen ersten tieferen Einblick in Ihren neuen Aufgabenbereich verschafft und sicher auch erste Zukunftsüberlegungen angestellt haben. Was steht neben der laufenden Arbeit in den vielfältigen Diensten in nächster Zeit an grundsätzlichen Entscheidungen und Maßnahmen für den Diözesan- Caritasverband an?
- Seit längerem schon bereitet unser Diözesanverband die Durchführung eines Organisationsentwicklungsprozesses vor, der nun am 10. Juli offiziell gestartet worden ist und bis Ende 2008 abgeschlossen sein soll. Der Prozess steht im Zusammenhang mit dem Pastoralen Zukunftsgespräch und soll klären helfen, wie Caritasarbeit unter den konkreten gesellschaftlichen und kirchlichen Bedingungen künftig aussehen kann und muss. Nach der politischen Wende orientierten sich die Verantwortlichen zunächst daran, wie die Verbände in den alten Bundesländern arbeiteten und welche Aufgaben es von daher im eigenen Bistum wahrzunehmen galt. Inzwischen sind mehr als 15 Jahre vergangen. Und wir müssen sehen, wie wir angesichts der sich wandelnden gesellschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und des sich verändernden Bedarfs unseren Auftrag verwirklichen können und unsere Angebote gegebenenfalls neu ausrichten müssen. Uns als Caritas dieser Neuorientierung zu stellen, heißt: Ziele zu definieren und dann anhand dieser die Strukturen zu überprüfen und wo nötig entsprechende Veränderungen herbeizuführen.
In welchen Bereichen sehen Sie da zum Beispiel Bedarf?
- Nehmen wir das Verhältnis von Ortscaritas-Verbänden und Diözesan- Caritas: Zum Beispiel steht die Frage, ob es sinnvoll ist, dass die Diözesan-Caritas bei Kinderheimen selbst als Träger von Einrichtungen auftritt. Oder ein anderes Beispiel: Einerseits stehen Bund, Land und Kommunen und auch der Kirche in den letzten Jahren immer weniger Mittel zur Verfügung, andererseits gibt es etwa in der Region Torgau einen wachsenden Bedarf an Schuldnerberatung. Hierauf müssen wir Antworten finden. Wie aber können dafür mehr Mitarbeiter finanziert werden? Wir müssen unsere Mittel also noch effektiver einsetzen. Prinzipiell gilt: Wir können uns als Caritas gerade auch in Bereichen, wo Hilfe echt notwendig ist, nicht herausziehen, sondern sind gerade dort gefordert. Caritas ist schließlich nichts Zusätzliches, sondern gehört neben der Verkündigung und der Liturgie zu den Wesenselementen der Kirche.
Noch ein Weiteres: Wir müssen als Caritas stärker sozialräumlich denken lernen. Dazu gibt es erste Ansätze etwa in Stendal, Torgau, Prettin, Bitterfeld und Magdeburg. Dabei geht es um die verstärkte Verknüpfung unserer Angebote mit vorhandener sozialer Infrastruktur und informellen Netzwerken unter Berücksichtigung der Lebenswelt der Menschen in der jeweiligen Region.
Sie sprachen schon die Finanzen an. Die Caritas muss sich im marktwirtschaftlichen Wettbewerb behaupten. Angesichts allgemein knapper Kassen sind Probleme vorprogrammiert...
- Das stimmt. Wir wissen, dass sich die finanziellen Verhältnisse wandeln. Ein "Mehr" an Inhalt und Standards ist auf Dauer nicht durch ein "Weniger" an Finanzen zu erreichen. Die Gesellschaft muss sich im Klaren sein, wie die qualifizierte Sorge um den Nächsten inhaltlich aussehen soll und was sie uns dann auch finanziell wert ist. Das stellt aber auch gleichzeitig die Anforderung an uns selbst, die zur Verfügung stehenden Mittel so effektiv wie möglich einzusetzen, und zwar bei den Personalkosten genauso wie bei den Investitionen. Es gilt die Balance zu suchen zwischen Barmherzigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Wie kann diese gelingen?
- Bei der Suche nach Möglichkeiten kommen Kooperationen und Fusionen in den Blick, aber nicht um jeden Preis und mit klaren Grenzen. Kooperationen und Fusionen können Auswirkungen auf den Charakter einer Einrichtung haben. Unser Profil aber muss sich in allen Bereichen der Einrichtung wiederspiegeln. Wenn sich etwa ein Altenpflegeheim nicht christlich profilieren und oder nicht wirtschaftlich führen lässt, wird man nach Kooperationsmöglichkeiten schauen müssen. Finden sich nur privatwirtschaftliche Partner mit ihren Bedingungen, wird man sich entschließen müssen, solche Häuser aufzugeben. Um glaubwürdig zu bleiben und uns nicht jedem wirtschaftlichen Diktat zu unterwerfen, werden wir möglicherweise manche Aufgaben nicht wahrnehmen können. Es reicht nicht, dass an der Tür das Caritas-Logo hängt. Denn was in einer solchen Einrichtung läuft, wird mit Kirche identifiziert. Und dafür ist der Träger verantwortlich.
Wie steht es um Kooperationen mit evangelischen Trägern?
- Solche gibt es ja bereits etwa bei den Bahnhofsmissionen oder beim Augustinuswerk Wittenberg, das von Anfang an ökumenisch getragen ist. Aber auch hier sind klare rechtliche Absprachen nötig.
Sie sprachen die Frage des Personals an. Die meisten Mitarbeiter in den Einrichtungen gehören keiner Kirche an...
- Ein großer Teil der Mitarbeiter sind keine Christen. Zunächst einmal müssen wir ihnen dankbar sein, dass sie unsere Anliegen mittragen. Denn ohne sie könnten wir viele unsere Einrichtungen nicht aufrechterhalten. In einer Einrichtung der Caritas leisten die Mitarbeiter ihren Dienst am Nächsten nicht auf einem wertneutralen Boden. Für die Erfüllung ihrer Aufgaben haben die Dienste und Einrichtungen in der Caritas einen im Glauben und im Evangelium verwurzelten Auftrag. Als Träger erwarten wir natürlich, dass sie unabhängig von ihrer konfessionellen Bindung ihren Auftrag im Sinne unseres christlichen Menschenbildes verrichten. Hier gilt es kontinuierlich entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten, um das kirchliche Profil unserer Einrichtungen zu schärfen.
Sie haben die neue Aufgabe des Caritas-Vorsitzenden zusätzlich zu ihrem bisherigen Dienst als Direktor der Fachakademie für Gemeindepastoral übernommen. Sind beide Aufgaben von einer Person gut auszufüllen?
- Ich denke, dass sich die beiden Aufgaben auch inhaltlich sehr gut ergänzen und sehe in der pastoralen Begleitung einen besonderen Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Caritas-Vorsitzender.
Sie waren bislang kein Mann der verbandlichen Caritas. Inwiefern sind Sie in Ihrem Werdegang schon mit der Caritas in Kontakt gekommen?
- Stimmt. Im Caritasverband habe ich bislang nicht gearbeitet, Berührungspunkte gab es aber dennoch schon einige. Als Student habe ich in Heiligenstadt eine Kinderfreizeit mitgestaltet, die von der Caritas organisiert war. Als Vikar in Sangerhausen und Burg habe ich erlebt, wie sich Caritas- Sozialarbeiter zum Beispiel um Suchtkranke gekümmert haben. Und als Rektor des inzwischen geschlossenen Seminars für die Ausbildung von Gemeindereferenten oder bei der Ausbildung von Ständigen Diakonen habe ich den Studierenden Fragen der Sozialethik vermittelt. Dabei ging es nicht zuletzt um Krankheit, Tod oder Behinderung, aber auch um Aspekte der menschenwürdigen Gestaltung unserer gesellschaftlichen Verhältnisse. Und hier gibt es mit meiner neuen Aufgabe enge Berührungspunkte: Als Caritas wollen wir stärker ordnungspolitisch und sozialanwaltschaftlich in der Gesellschaft Einfluss nehmen, um manche Problemlagen erst gar nicht so stark werden zu lassen. Die vor mir liegende Aufgabe sehe ich als Herausforderung, die ich dankbar annehme und auf die ich mich sehr freue.
Fragen: Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.07.2007