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Aus der Region

Vorauseilender Gehorsam

Willi Kranig erinnert an ein ursprünglich anders geplantes Kleines Katholikentreffen

Dresden - Vom 10. bis 12. Juli 1987 fand in Dresden das Katholikentreffen statt. Zum Programm gehörte auch das Kleine Katholikentreffen. Dort diskutierten 3000 Delegierte aus den Pfarrgemeinden Fragen des Christseins unter DDR-Bedingungen.

"Impulse aus der Dritten Welt", "Mut zum Frieden", "Unsere Verantwortung für die Schöpfung" oder "Arbeiten -Verdienen -Verantworten" das waren vier der zehn Themen, mit denen sich Gesprächsgruppen beim Kleinen Katholikentreffen 1987 in Dresden beschäftigt haben. Und der damalige Hauptorganisator, Rat Willi Kraning ist noch heute froh, dass "wir Themen gefunden haben, die ihre Aktualität nicht eingebüßt haben".

Das Kleine Katholikentreffen, das am 11. Juli stattfand, war eine Delegiertenversammlung, bei der 3000 ausgewählte Vertreter aus den Pfarrgemeinden Fragen des Christseins unter DDR-Bedingungen besprachen. Rat Kraning: "Bei der Vorbereitung des Katholikentreffens war uns recht bald klar, dass wir nicht nur ein schönes Fest feiern sollten, sondern dass diese Tage auch die Gelegenheit boten, über die pastorale Situation für die Kirche in der DDR nachzudenken und daran die Gemeinden zu beteiligen." Für Kraning und seine Mitstreiter in der entsprechenden Vorbereitungskommission war das ein Versuch, Konzilstheologie umzusetzen, und die ganze Kirche -Kleriker und Laien -als Volk Gottes ernst zu nehmen. Entsprechend liefen die Vorbereitungen: Themen wurden festgelegt und Referenten (viele aus dem westlichen Teil Deutschlands) gesucht. Außerdem wurde die Auswahl der Delegierten über die Pfarrgemeinden vorbereitet, um die Zahl möglicher Stasi-Spitzel in Grenzen zu halten.

Die Vorbereitungskommission plante ein zweieinhalbtägiges Treffen mit Gottesdienst, Referaten und Gruppengesprächen sowie einem öffentlichen Forum, in dem die Ergebnisse allen Interessierten vorgestellt wurden. Die Bischofskonferenz signalisierte im Laufe des Jahres 1985 Zustimmung mit dem Vermerk, in den Gemeinden alles gut vorzubereiten.

Dann aber -etwa ein Jahr später -passierte etwas, wofür Willi Kraning bis heute kein Verständnis hat. "Im Herbst 1986 griffen die Bischöfe ohne jedes Gespräch mit uns in unsere Arbeit ein." Ein Tag des Kleinen Katholikentreffens wurde gestrichen mit der Begründung, dass beim Dresdner Treffen der Wallfahrtscharakter im Vordergrund stehe. Es gab Eingriffe in die Referentenliste: Viele Westdeutsche mussten durch Ostdeutsche ersetzt werden. Und das öffentliche Plenum mit der Vorstellung der Ergebisse wurde ganz gestrichen. Die Folge dieses Eingriffs war: Das Kleine Katholikentreffen stand auf dem Spiel, denn die Vorbereitungsgruppe wollte unter diesen Vorzeichen nicht mehr weiterarbeiten.

Logo Katholikentreffen

Rat Kraning suchte daraufhin das Gespräch mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Joachim Meisner in Berlin. "Kardinal Meisner nannte mir zwei Gründe für die Entscheidung: Das Gesamttreffen sei gefährdet, wenn die Bischöfe nicht garantieren könnten, dass es nicht zu staatsfeindlichen Ausfällen kommt. Und außerdem sei es in der Verantwortung der Bischöfe, die Laien zu schützen, wenn diese wegen Aussagen, die dem Staat nicht genehm waren, entsprechenden Repressalien ausgesetzt würden." Für Rat Kraning ist das bis heute "vorauseilender Gehorsam gegenüber dem DDR-Staat" und eine Misstrauensäußerung gegenüber den in der Kirche engagierten Laien, "in denen ja auch der Heilige Geist wirkt". Rat Kraning: "Die Entscheidung der Bischöfe war menschliche Klugheit und von dort her verstehbar. Aber von einem Vertrauen her, das in Gott begründet ist, war sie überhaupt nicht verstehbar." Kraning appellierte, wenigstens den Versuch zu wagen. Vergeblich. "Selbst eine spätere Weiterarbeit der Gruppen, die sich in Dresden dann zu den einzelnen Themen gefunden hatten, wurde von den Bischöfen unmöglich gemacht, indem die Adressenlisten nach dem Kleinen Katholikentreffen eingezogen wurden", sagt Kraning.

Kraning hatte große Mühe, die Vorbereitungskommission zur Weiterarbeit zu bewegen. Das Kleine Katholikentreffen fand statt und hat trotz allem "einen innerkirchlicher Gesprächsprozess neu in Gang gebracht. Bischöfe, Priester und Laien bilden zusammen das eine Volk Gottes", wie es der damalige Seelsorgeamtsleiter und spätere Magdeburger Bischof Leo Nowak in einer Bilanz ausdrückte. Diesem Urteil schließt auch Kraning sich an: "Zum ersten Mal hat sich die Kirche, die aus Priestern und Laien besteht, im DDR-Maßstab zu Wort gemeldet." Und das hatte trotz aller Eingriffe Nachwirkungen: Die volle Teilnahme der katholischen Kirche in der DDR am konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und an den drei Ökumenischen Versammlungen ist für Kraning ohne das Kleine Katholikentreffen nicht denkbar.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 32 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 08.08.2007

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