Eine Kirche für einen Euro
Ein Verein versucht einer kleinen Kirche bei Schkeuditz einen neuen Sinn zu geben
Erhard Zeinert kann sich noch gut daran erinnern, wie er in den 50er und 60er Jahren die Kirchenglocke geläutet und den Blasebalg für die Orgel getreten hat. Damals fanden in der kleinen Rittergutskirche mitten in dem Dörfchen Kleinliebenau bei Schkeuditz noch regelmäßig Gottesdienste statt. Das blieb bis in die 70er Jahre so. Dann begann der allmähliche Verfall des evangelischen Gotteshauses, das sich in kommunalem Besitz befand. "Noch zehn Jahre, und die Kirche wäre zusammengefallen", ist Erhard Zeinert überzeugt.
Die Spuren dieses Verfalls sind an dem Kirchlein deutlich zu sehen -innen und außen. Aber es gibt Hoffnung. 2005 hat Henrik Mroska die Kirche für einen Euro von der Stadt Schkeuditz gekauft. Der evangelische Diakon und Religionslehrer hatte sich, als er eher zufällig durch Kleinliebenau kam, sofort in das kleine Gotteshaus verliebt. Ursprünglich dachte er daran, es zumindest teilweise privat zu nutzen. Inzwischen aber hat er ganz andere Pläne: Unter dem Titel "Kulturpilger" entsteht hier zusammen mit einem inzwischen gegründeten Verein mit 31 evangelischen, katholischen und vor allem Nichtchristen ein kulturell- spiritueller Ort. Hier finden regelmäßig Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen statt. Am 1. September, um 14 Uhr gibt es beispielsweise ein Puppenspiel.
Bei einer Nutzungsmöglichkeit sind Henrik Mroska und seine Mitstreiter in den letzten Wochen einen guten Schritt vorangekommen: Die Kirche liegt direkt am ökumenischen Pilgerweg von Görlitz nach Vacha. Und weil es bisher in der Region Leipzig an Unterkünften für die Pilger fehlte, entsteht als Anbau an die Kirche eine Pilgerherberge mit vier Übernachtungsplätze, Toiletten, Dusche und Teeküche. Das Richtfest wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst Mitte August gefeiert.
Auch Erhard Zeinert hat an der Pilgerherberge mitgebaut: "Ich bin arbetslos und so kann ich meine Erfahrungen als Bauarbeiter hier einbringen", sagt er. Und Henrik Mroska scherzt: "Wenigstens ein Fachmann." Nicht ganz, denn Unterstützung gab es auch vom Internationalen Bauorden. Acht Mitglieder dieser Organisation haben geholfen, den Rohbau fertigzustellen. Els Musch aus der Nähe von Frankfurt/Main gehört dazu und findet dieses Engagement sehr sinnvoll. In den wenigen Tagen hat sie erlebt, wie groß der Zuspruch für diesen Pilgerweg ist. "Täglich kommt hier etwa ein Dutzend Leute vorbei." Die meisten gehen den Weg von Görlitz bis Vacha, manche wollen aber auch bis nach Santiago de Compostela, berichtet Els Musch, die sich mit vielen von ihnen unterhalten hat. "Die meisten sind so zwischen 30 und 40. Viele haben nichts mit Kirche zu tun, aber Spiritualität und Glaube sind ihnen wichtig. Und sie nutzen die Tage auf dem Pilgerweg, um nach Antworten auf drei Fragen zu suchen: Woher? Wohin? Und was ist meine Aufgabe?"
Bis die Kultur- und Pilgerkirche in Kleinliebenau fertig ist, werden wohl noch einige Jahre vergehen. Henrik Mroska ist zuversichtlich ,vielleicht in fünf Jahren die gröbsten Arbeiten abgeschlossen zu haben. Übrigens: "Wir suchen auch noch Leute, die uns helfen, die Kirche aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken." Auf alle Fälle soll die Kirche auch in dieser Zeit genutzt werden -für die, die auf dem Pilgerweg unterwegs sind, für Kunst und Kultur und vielleicht auch als ein Ort, an dem neuen Wege und Visionen entwickelt werden können für die Kirche und die Welt. Über die Gründung eines entsprechenden Arbeitskreises hat Henrik Mroska jedenfalls schon einmal nachgedacht.
Informationen
Mehr Informationen im Internet unter www.kulturpilger.de
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 23.08.2007