Patienten haben Vorfahrt
Görlitzer Klinikchef fordert eine Kooperation von medizinischen Leistungserbringern
Professor Ekkehart Paditz
Verkorkste Gesundheitsreform, Zwei-Klassen-Medizin, zunehmender wirtschaftlicher Druck. Der deutsche Patient scheint immer mehr in die Mühlen des "Unternehmens" Krankenhaus zu geraten. Ökonomische Effizienz hat oft den Vorrang vor der optimalen medizinischen Betreuung: Ein System, das jeder furchtbar findet, dem aber alle unterworfen sind -und bei dem alle mitmachen. Das muss aufhören, findet der Geschäftsführer des Görlitzer Klinikums, Professor Ekkehart Paditz. Der Kinderarzt stellte am 19. September sein Konzept vor dem Priesterkonvent des Dekanates Görlitz-Wittichenau vor.
Aus christlicher Sicht klingen Paditz Thesen dabei gar nicht so neu. Der Mediziner dürfe "nicht nur Medikamente" verabreichen, sondern habe auch eine "geistige Aufgabe": Dem Menschen Kraft und Mut zu geben. Die Frage sei: "Wo ist unsere Mitte, wo kann man Vetrauen finden?" Paditz fordert eine "transparente Patientenkultur", bei der das Gespräch mit Betroffenen, aber auch mit Angehörigen entscheidend ist -nicht nur, weil sich hieraus die meisten Informationen über die Krankengeschichte ergeben, sondern weil es Vertrauen und Handlungsfähigkeit schafft.
Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen wagt Paditz einen offensichtlichen Tabubruch: Die "medizinischen Leistungserbringer" müssen zum Wohle des Patienten zusammenarbeiten, Netzwerke bilden und auch "den Mut haben, Kompetenzen an andere Häuser abzugeben". Dass dies funktionieren kann, erläutert Paditz am Verhältnis des Städtischen Klinikums und des Malteser-Krankenhauses St. Carolus, das der Arzt als "ideales Zwillingspaar" bezeichnet. Dabei bestimmt Vertrauen den Alltag und nicht das Konkurrenzdenken. "Wir sind für die Patienten da".
Für Ekkehart Paditz ist nach Albert Schweitzer "die Ehrfurcht vor dem Leben" das Entscheidenste, ein Begriff, "der uns heute vor allem in ökologischer Hinsicht beschäftigt". Ehrfurcht bedeutet aber auch Gerechtigkeit, dass "der Bauer mit schmutzigen Fingern genauso behandelt wird wie der Bankdirektor". Paditz täuscht sich nicht darüber hinweg, dass die Realität oft anders aussieht. Aber: Wenn der Mensch im Mittelpunkt stehen soll, braucht es Visionen und den Mut zur Veränderung.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 26.09.2007