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Bistum Dresden-Meißen

Von den Nazis verfolgt

Pfarrer Hermann Scheipers

Dresden - Er war von Westfalen in die Diaspora gekommen und im August 1937 von Bischof Petrus Legge in Bautzen zum Priester geweiht worden. Seine erste Kaplansstelle erhielt er in Hubertusburg. Seit 1946 waren seine Stationen Radebeul, Bergießhübel, Dresden, Freital, Wilsdruff und dann 23 Jahre Schirgiswalde. Mit 70 Jahren ging er 1983 zurück in seine westfälische Heimat. Er hat Kirchen modernisiert und gebaut, er hat, besonders nach dem Krieg, mit heimatlosen Katholiken Gemeinde aufgebaut. Über die Lücke in seiner Biographie habe er erst lange gar nicht, dann bagatellisierend gesprochen, erinnert sich mancher.

Irgendwann, als der Abstand größer war und die Erfahrung dazu kam: Die Jungen wissen doch davon nichts, begann er zu sprechen. Er tut es noch. Auch bei seinem Sommer-Besuch im Bistum Dresden-Meißen hat er sich Jugendlichen und Journalisten zum Gespräch gestellt. Zur Messe anläßlich der Seligsprechung von Karl Leisner und Bernhard Lichtenberg durfte er im Berliner Olympiastadion mit dem Papst konzelebrieren. Was ist das besondere an Hermann Scheipers?

Am 3. Oktober 1940 war er in Hubertusburg von der Gestapo verhaftet und ins Leipziger Polizeigefängnis gebracht worden. "Er gefährdet den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem er in freundschaftlicher Weise mit Angehörigen feindlichen Volkstums verkehrt", war die Begründung, die man ihm vorenthielt und die er nur durch Zufall erfuhr. Seelsorge an polnischen Zwangsarbeitern verbarg sich dahinter. Den Grund seiner Verhaftung zu kennen, machte ihn innerlich frei. Als man massiv versuchte, ihm seinen Beruf auszureden, war es gerade das Bewußtsein, daß er wegen schrankenloser Ausübung seines Priesteramtes verfolgt wurde, was ihm bestehen half. "Stets habe ich mein Leiden als Ehre aufgefaßt - ich wußte, warum ich leide, das gab mir Kraft", sagt er heute. Um Christi willen, um seiner christlichen Handlung willen. Er lächelt, obwohl er um die Schwere seiner Worte weiß.

"Ihr seid hier ehrlos, wehrlos und rechtlos", hatte der Lagerkommandant bei der Einlieferung ins KZ Dachau geschrieen, wohin Hermann Scheipers wie viele andere katholische Geistliche gebracht wurde, als die Vorwürfe für einen Prozeß gegen ihn nicht ausreichten. "Schutzhaft" nannte man das. Wehrlos waren die Häftlinge gegen den Hunger im Sommer 1942, wo sie auf einer Plantage arbeiten mußten. "Leichte Arbeit", aber ohne Brotzeit. Allein in dem einen Jahr verhungerten 730 Priester.

Mehrere Male schwebte Hermann Scheipers in Todesgefahr. Um ein Haar hätte er bei geheimen medizinischen Experimenten der Luftwaffe im stundenlangen Eiswasserbad sein Leben lassen müssen. Dem Invalidenblock, wohin der ursprünglich sportliche Mann wegen "allgemeiner Körperschwäche" verlegt worden war, was einem Todesurteil glich, entkam er durch die Courage seiner Zwillingsschwester. Ihr gelang es, bis zum Reichssicherheits-Hauptamt in Berlin vorzudringen und damit nicht nur ihn, sondern 500 weitere Priester vor dem Tode zu bewahren. Hermann Scheipers gebraucht dazu heute eine westfälische Redensart: "Man konnte es mit dem Holzschuh spüren", daß er einen guten Schutzengel hatte. Auch beim Marsch der evakuierten Häftlinge durch Bayern. Bei einer Rast gelang ihm die Flucht. Nicht unbemerkt, aber der Hundeführer der SS war ebenfalls vom Laufen müde... Ein Geistlicher versteckte Hermann Scheipers.

Fünf Jahre hatten seine Eltern auf ihn gewartet, um ihn gebangt. 1946 ging er freiwillig wieder nach Sachsen - "zu den Russen" - in sein Bistum. Wieder gab es Hunger. Warum tat er das? "Wegen der Heimatvertriebenen. In Bayern oder im Münsterland wurden sie schnell integriert. Da hatten sie die katholische Kirche gewissermaßen vor der Nase, im Osten waren sie wie eine Herde ohne Hirten. Dort wurde ich gebraucht." Und er spricht von den glücklichen Jahren des Aufbruchs, in denen er jedoch zeitweise von bis zu 15 Stasi-Spitzeln beschattet wurde. Es zählen aber die guten Momente. Wie der Augenblick in Dachau, als er dem Mitgefangenen Karl Leisner gemeinsam mit anderen Geistlichen bei seiner Priesterweihe die Hände auflegen durfte.
Ursula Wicklein.

Die Gartenschau sorgt für Abwechslung
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 31 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 04.08.1996

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