Caritas-Kinderferientage zur Suchtvorbeugung
Erfurt (cv/ep) - Einmal als Ritter verkleidet seine Tapferkeit unter Beweis stellen, einmal als Burgfräulein verkleidet gemeinsam mit anderen Burgfräuleins durch die Wiesen reiten - welches Kind hätte daran keinen Spaß! 19 Mädchen und Jungen aus Erfurt und Umgebung hatten in der vergangenen Woche Gelegenheit dazu. Unter dem Motto "So lebten die Ritter und Burgfräule../../inchen" waren vor allem solche Fünf- bis Zwölfjährige eingeladen, deren Familien es aus finanziellen Gründen häufig nicht möglich ist, ihren Kindern eine schöne Urlaubsfahrt zu ermöglichen.
Zu der "Ritterzeit" vom 30. Juli bis 2. August hatte die Caritas-Fachambulanz für Suchtkranke Erfurt-Melchendorf in Zusammenarbeit mit Sozial- und Jugendamt der Stadt Erfurt eingeladen. Anliegen: Mit dem Angebot sollte den Kindern deutlich und für sie erlebbar werden, wie mit Phantasie, gemeinschaftlichem Tun und Engagement für alle, die mitmachen, schöne Ferientage entstehen können: Im Lutherpark, einem Gelände des evangelischen Kirchenkreises Erfurt mitten im Steigerwald, wurde ein Ritterlager aufgebaut. Die Kinder bastelten sich Rüstungen, Helme und Gewänder. Mädchen und Jungen verkleideten sich, spielten miteinander, durften reiten. Höhepunkt war das Ritter- und Burgfräule../../inchenfest, zu dem auch die Eltern eingeladen waren.
Warum ein solches Kinderangebot von einer Caritas-Fachambulanz für Suchtkranke ausgeht, erklärt Sozialarbeiter Edwin Eisbrenner, der gemeinsam mit Kollegin Sibylle Fender-Tschenisch und einem Zivildienstleitenden für die Tage verantwortlich war: Hintergrund für das Angebot sei ein von 1991 bis Ende 1995 durchgeführtes Modellprojekt zur Suchtprävention, so Edwin Eisbrenner. Die Kinder sollen durch ein solches Ferienangebot die Möglichkeit haben, in der Gruppe spielerisch ihre Probleme, Aggressionen und Defizite zu verarbeiten. Denn Süchte erwachsen aus Defiziten und Problemen, so der Sozialarbeiter. Mit Kindern könne nicht über Suchtgefahren und die Möglichkeiten einer Aufarbeitung von persönlichen Schwierigkeiten reflektiert werden. Stattdessen könnten sie im Spiel erfahren, daß die sinngebenden und frohmachenden Dinge des Lebens nicht erkauft oder durch Konsum erlebt werden können. Insofern seien frohe Ferientage suchtvorbeugend.
Suchtpräventiv arbeiten die Erfurter Sozialarbeiter aber nicht nur mit einem solchen, für sie bisher einmaligen Ferienangebot. Woche für Woche in der Schulzeit sind sie seit zwei Jahren im Erfurt-Melchendorfer Neubaugebiet in einer Grundschule tätig. Schwerpunkt der jeweiligen Wochenstunde für die Schüler einer jetzt dritten Klasse, die sie mit Schuljahresbeginn nun im dritten Jahr begleiten werden, ist der Umgang mit Gefühlen und der Erlebniswelt der Kinder. Fragen wie: "Warum habe ich Angst, wenn es gewittert?" Oder: "Was ist das Reizvolle, auf eine Baustelle zu gehen, obwohl dies verboten ist?" werden überdacht und nachgespielt. Auch in einer Gruppe von Schülern aus verschiedenen Klassen der Schule sind die Sozialarbeiter ähnlich tätig.
Die Melchendorfer Einrichtung gibt es als Caritas-Sucht- und Drogenberatung bereits seit 1986. Seit 1990 ist sie Fachambulanz für Suchtkranke und Angehörige. Wie andere Suchtberatungsstellen in Thüringen ist auch sie in ihrer personellen Besetzung von den derzeitigen Sparüberlegungen und -maßnahmen betroffen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.08.1996