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Aus der Region

An der Seele darf jeder herumbasteln

Interview mit Sektenbeauftragtem Kluge über Scientology

Politiker wollen härter gegen die Organisation vorgehen. Der Tag des Herrn sprach mit dem Sektenbeauftragten des Bistums Dresden-Meißen, Gerald Kluge:

Frage: In Tschechien ist Scientology als Kirche anerkannt. In Deutschland wird über ein Verbot diskutiert. Was ist Scientology und was ist daran so gefährlich?
Kluge: Scientology ist ein Wirtschaftsunternehmen, das sich als Religion tarnt. Wer sich auf Scientology einläßt, kann schnell sehr viel Geld für die Kurse loswerden und wird - etwa durch die in den Auditing-Berichten gesammelten Daten - leicht erpreßbar. Gefahren bestehen aber nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft. Denn Scientology geht es um wirtschaftliche, letztlich um politische Macht im Sinne einer Diktatur.

Frage: Wie aktiv ist Scientology im Osten Deutschlands?
Kluge: Zentren gibt es in Leipzig, Dresden und Berlin. Scientology ist vor allem in der Wirtschaft und da wiederum auf dem Immobilienmarkt aktiv. Die Zahl der Mitglieder im Osten Deutschlands ohne Berlin schätze ich auf 250.

Frage: Politiker fordern ein härteres Vorgehen gegen Scientology bis hin zum Verbot. Was könnte helfen?
Kluge: Für wichtig halte ich einen Bundes-Sektenbeauftragten. Eigentlich gibt es das schon beim Bundesverwaltungsamt. Aber dort mangelt es an Ausstattung und Befugnissen. Ich hoffe, daß hier die Bundestags-Enquete-Kommission etwas bewirkt. Nicht verkehrt wäre auch eine Kontrolle durch den Verfassungsschutz. Ein Verbot allerdings ist schwer zu praktizieren. Scientology würde sich unter einem neuen Namen wiedergründen. Deshalb sollte das nur der letzte Schritt sein.
Für besonders wichtig halte ich eine Ordnung für den Psychomarkt. Ein Schweißer oder Zahnarzt brauchen eine Ge-nehmigung oder ein Diplom. An der Seele kann jeder herumbasteln.

Frage: Eine Ordnung für den Psychomarkt - wie kann das genau aussehen?
Kluge: Zunächst müßten Verbraucherschutzfragen geklärt werden. Bei vielen Psycho-Anbietern findet sich irgendeine Haftungs-Ausschlußklausel, so daß der Teilnehmer allein die Verantwortung trägt. Das kann nicht sein und ist wettbewerbswidrig. Geregelt werden müssen auch Mindestanforderungen an denjenigen, der als Psychotherapeut tätig sein will, ein Titelschutz - heute kann sich jeder Psychotherapeut nennen - und eine Art Gewerbeaufsicht.

Frage: Mitglieder der Jungen Union haben zum Boykott des Filmes "Mission Impossible" aufgerufen. Hauptdarsteller Tom Cruise sei aktiver Scientologe.
Kluge: Daß Tom Cruise Mitglied bei Scientology ist, reicht für mich noch nicht aus. Wenn ein Film allerdings Werbung für Scientology macht oder auch zur Finanzierung von Scientology dient, sollte man durchaus über einen Boykott nachdenken. Das reicht allerdings allein nicht aus. Wichtiger ist die Aufklärung.

Interview: Matthias Holluba.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 34 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 25.08.1996

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