Stiftung der Dankbarkeit
100 Jahre katholische Christen in Markranstädt
Markranstädt - "Hier atmet alles Geschichte", sagt Pfarrer Johannes Felke voller Stolz über sein Pfarrhaus und die Kirche in Markranstädt bei Leipzig. Alles ist geblieben, nichts wurde im Krieg zerstört: das Haus, die Kirche und viele Dokumente und Akten. Seit 1982 ist Johannes Felke Seelsorger der kleinen katholischen Gemeinde im Westen des Bistums. Jetzt - am 8. September - wird das 100jährige Bestehen der Kirche "Maria, Hilfe der Christen" zusammen mit Bischof Joachim Reinelt gefeiert.
Begonnen hatte alles gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Der wachsende Braunkohlenbergbau führte polnische Katholiken in die kleine Stadt. 1884 wurde der erste Antrag des Apostolischen Vikariates Sachsen auf eigene Gottesdienste in Markranstädt beim sächsischen Kultusministerium gestellt, damals noch erfolglos. Vier Jahre später, 1888, wurde dem Drängen - unterstützt von 250 Bittstellern - stattgegeben und der erste katholische Gottesdienst nach der Reformation wurde am 26. Dezember 1888 in Markranstädt gefeiert.
Der eigentliche Kirchbau geht auf eine Stiftung von Carl Unfug zurück, einem Markranstädter Katholiken, der sich im schlesischen Ohlau als selbständiger Maurermeister niederließ. In einem Schreiben heißt es: "Ich nahm mir vor, um Gottes Segen für meine Tätigkeit zu erlangen, in Markranstädt, meinem vorigen Wohnort, eine katholische Kirche unter dem Titel Maria Hilf zu erbauen." Carl Unfug erklärte sich schließlich 1895 bereit, die Baukosten von 7800 Mark zu übernehmen.
Pfarrer Johannes Felke erinnert daran, daß es zur damaligen Zeit äußerst schwierig war, für einen katholischen Kirchbau die Baugenehmigung zu erhalten. Schließlich wurde sie doch erteilt. Am 8. September 1896 war in Markranstädt alles fertig und Bischof Ludwig Wahl, Apostolischer Vikar in den Sächsischen Erblanden und Dekan des Kollegiatkapitels St. Petri in Bautzen von 1890 bis 1905, weihte die Kirche feierlich ein.
Jedoch bedeute das Vorhandensein einer Kirche noch lange nicht, daß die Gemeinde einen eigenen Seelsorger erhielt. Pfarrer Johannes Felke: "Immer wieder wurde das Bischöfliche Ordinariat bestürmt: wir brauchen einen eigenen Geistlichen! Und immer wieder kam die Antwort: Wir haben keinen!.
Schließlich kam dann doch der langersehnte Brief. Bischof Christian Schreiber sandte Pfarrer Dr. Benno Scholze nach Markranstädt, der im Oktober 1926 seine Arbeit aufnahm. Seither nahm das kirchliche Leben in der Gemeinde einen Aufschwung.
Dunkle Einschnitte brachte die Zeit des Nationalsozialismus für die katholischen Christen in Markranstädt. Der Nachfolger Benno Scholzes, Pfarrer Fritz Remy, wurde im Alter von 38 Jahren aufgrund seines Eintretens für polnische Kriegsgefangene am 25. November 1939 verhaftet.
1940 - am 14. März - begann der Leidensweg von Fritz Remy im KZ Dachau. Von hier wurde er schwer tuberkulosekrank im Januar 1944 entlassen und kam für kurze Zeit nach Markranstädt zurück. Unter dem Druck der Gestapo mußte Fritz Remy jedoch von seiner Aufgabe der Seelsorge lassen. Seine Nachfolge trat Pfarrer Georg Scholze an, der heute im sorbischen Schönau lebt.
Auch heute, so Pfarrer Johannes Felke, lebt in Markranstädt eine lebendige Gemeinde. Er hebt besonders die verschiedenen Gruppen hervor: so engagieren sich einige Frauen beim Sauberhalten von Kirche und Pfarrhaus. Daneben gibt es die Religionsunterrichtsgruppen, einen Frauenkreis und nicht zu vergessen, die unter Georg Scholze gegründete Kolpingsfamilie.
Holger Jakobi.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.09.1996