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Aus der Region

Damit Menschen Gott erfahren können

Eine Reportage zu 800 Jahre Kloster Osek

Die Leute werden geboren, leben und sterben, ohne je etwas von Gott gehört zu haben", so umschreibt Abt Bernhard Thebes die Situation in Nordböhmen. Diesem Ergebnis eines verordneten staatlichen Atheismus, setzt er sein Leben entgegen: So ist auch die Feier von 800 Jahren Kloster Osek kein Selbstzweck, sondern für ihn eine Chance, die Menschen mit Gott und dem Christentum vertraut zu machen.

Für Osek und seine Bewohner war das Kapitel Zisterzienser 1989 eine längst abgeschlossene Geschichte. Doch schon ein Jahr später kehrte der Orden mit Bernhard Thebes - dem gewählten 45. Abt - zurück in sein Kloster, das wenige Kilometer hinter der sächsisch-böhmischen Grenze liegt. Für Bernhard Thebes begann eine Odyssee: Ein Abt, ein großes Kloster, doch keine Brüder... Eine große deutsche Tageszeitung titelte damals: Allein gelassen in Böhmen..

Bernhard Thebes hätte es gern gesehen, wenn ihm Brüder aus den beiden Oseker Exil"-Klöstern Langwaden im Bistum Köln und Rosenthal im Bistum Dresden-Meißen gefolgt wären. Doch er wurde zum Abt gewählt und blieb vorerst allein. Dabei war gerade Langwaden mit der Intention gegründet worden, wenn Osek frei sein wird, dorthin zurückzukehren. Es sollte eine Art Sprungbrett in den Osten sein", erinnert sich Bernhard Thebes. Und der Konvent in Rosenthal ist zu klein, braucht selbst jeden Mann.

So mußte Bernhard Thebes bei Null anfangen. Mut und Zuspruch erhielt er vom ehemaligen Generalabt der Zisterzienser, Dr. Sighard Kleiner: Wenn eine Tradition 40 bis 50 Jahre abgebrochen ist, dann braucht es genauso lange, diese wieder mit Leben zu erfüllen." Dabei war das Kloster Osek in den Zeiten des Kommunismus dennoch eine Oase des Glaubens, wenn auch unter traurigen und oft trostlosen Umständen. Katholische Schwestern aus verschiedenen Kongregationen und Orden wurden hier nach der Vertreibung der Zisterzienser interniert. Sie sollten aus der Öffentlichkeit der damaligen Tschechoslowakei verschwinden. In Osek sollten sie leben, durften jedoch keinen Nachwuchs aufnehmen. Lang ist die Liste der Ordensfrauen, die im Laufe der Zeit in Osek starben. Zuerst Bernadetta Kortánová am 1.Oktober 1954, zuletzt - fast 40 Jahre später - Kasilda Hobzová am 7. Oktober 1993.

Am 4. 11. 1993 sind die Überlebenden in ihre Heimathäuser zurückgekehrt und wagen seither selbst einen eigenen Neuanfang. Bernhard Thebes erinnerte sich ihrer dankbar: Ich bin sicher, daß das Leben, das Gebet und die Leiden der Schwestern die Rückkehr der Zisterzienser nach Osek vorbereitet haben." Dabei weiß der Abt, daß die Schwestern ihn und sein Kloster nicht vergessen haben, ihr Gebet trägt weiter.

Inzwischen ist der kleine Oseker Konvent etwas gewachsen. Pater Benedikt, ein Tscheche, und ein deutscher Novize stehen Abt Bernhard zur Seite, dazu kommen zwei Kandidaten, die in Osek Zisterzienser werden möchten. Der ganze Tag wird durch die Gebetszeiten - Lob und Anbetung Gottes als Hauptaufgabe des Ordens - geordnet, die um 3 Uhr mit den Nacht- und Morgengebeten beginnen. Aber wir können noch so fromm leben, an unserem Bruder können wir nicht vorbei beten", betont der Abt. So ist Osek zu einem Sammelbecken" für all die geworden, die in der Nachwendezeit keinen Platz in der Gesellschaft fanden und mit ihrem Leben nicht zurecht kommen.

Diese Fürsorge ist für Bernhard Thebes die zweitwichtigste Aufgabe der Zisterzienser und eigentlich aller Christen. Das Bete und arbeite" St. Benedikts und die Nächstenliebe St. Bernhards erhalten in Osek eine eigene Dimension. Für die nächste Zeit hofft der Abt, daß er zwei Sozialarbeiter erhält, die sich um all die Gestrauchelten" noch besser kümmern können. Denn er ist überzeugt davon, daß allen Menschen die ungeteilte Liebe und Zuneigung Gottes zukommt. Und im Grunde sind es feine Kerle", betont Bernhard Thebes.

Osek heute, das ist kein geschlossener, sondern ein offener Raum, der seine Türen und Fenster weit geöffnet hält. Nicht zuletzt auch durch die ungezählten Veranstaltungen zum 800jährigen Bestehen, die viele Besucher mit Kirche, Kloster und dem Orden vertraut machen. Dies, so der Abt, ist von besonderer Bedeutung: Nordböhmen ist nicht nur ökologisch kaputt, sondern auch seelisch. Da sind wir hier besonders gefordert. Ich will die Leute ins Kloster locken, um ihnen von Gott zu erzählen..

Ein Beispiel war der Kindertag: rund 400 Mädchen und Jungen kamen ins Kloster, sonst hätten sie es vielleicht niemals getan. Der nächste Höhepunkt der Jubiläums-Feiern wird das Pontifikalamt mit dem Erzbischof von Prag, Miloslav Kardinal Vlk, am 6. Oktober sein. Im Anschluß beginnt eine Woche der geistlichen Erneuerung.

Abt Bernhard Thebes ist zutiefst überzeugt davon, daß Europa nur dann eine Zukunft hat, wenn es ein christliches Europa wird. Gerade an der ehemaligen Nahtstelle der Systeme, der heutigen EU-Außengrenze möchte er mit seinem Kloster einen Beitrag dazu leisten. Ich brauche Menschen, die begriffen haben was hier läuft, die vom Feuer des heiligen Geistes ergriffen sind und ihr Kreuz auf sich nehmen, um Jesus Christus nachzufolgen", betont er immer wieder und ergänzt mit Blick auf seinen kleinen Konvent: Ich brauche vor allem Leute, die nicht kommen und gehen, sondern die bis zum Tod bleiben." Dabei legt er Wert darauf, daß Osek kein tschechisches und auch kein deutsches sondern ein katholisches Kloster ist". Wer spürt, daß ihn Gott in Osek haben will, kann kommen. Egal ob Tscheche oder Deutscher.

Hilfe erfährt Bernhard Thebes inzwischen besonders durch einen Freundeskreis. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Abt und Konvent bei der Erfüllung religiöser, sozialer und völkerverbindender Aufgaben sowie bei der Renovierung des Klosters zu unterstützen. Gerade die Erhaltung der Gebäude war von Anfang an ein drängender Punkt. Vielleicht kam die Rettung in letzter Minute. Dächer wurden gedeckt, Fenster in der Kirche gesichert. Jetzt muß eine Heizung her. Nicht um es bequem zu haben sondern aus ökologischen Notwendigkeiten. Abt Bernhard: "Wenn alle Schornsteine rauchen, dann ist es draußen kaum auszuhalten." Und der Rauch zieht mitten hinein ins Erzgebirge.

Bei aller Hilfe vergißt Bernhard Thebes die geistliche Dimension nicht. Ihm ist es wichtig, daß die Leute intensiv mit dem Kloster verbunden sind. Ein Novum bei den Zisterziensern war seine Idee: Frauen und Männer können Oblaten - eine Art Dritter Orden - des Klosters Osek werden. Diese Form der geistlichen Bindung übernahm er von den Benediktinern. Oblaten leben in der Welt, richten ihr Leben und Beten aber am Orden und seiner Regel aus. Inzwischen gehören zum Kloster Osek 50 Oblaten und 10 Novizen, die sich darauf vorbereiten.

All diese Schritte führen langsam in die Zukunft, aber nicht nur für Osek allein, sondern für alle Klöster der Kongregation vom Reinsten Herzen Mariens, kurz Böhmische Kongregation genannt. Dazu gehören die Männerklöster Osek, Langwaden, Rosenthal und Vyssi Brod (Hohenfurth) sowie die Frauenklöster Abtei Marienstern, Abtei Marienthal (beide in der Oberlausitz), die Abtei Porta Coeli in Mähren und das dänische Priorat Sostrup. Abt Bernhard Thebes ist der höchste Repräsentant der Böhmischen Kongregation und das langsam wieder blühende Osek das Zentrum.

Osek im Jahr 1996 ist kein abgeschlossenes Kapitel mehr, sondern weiter ein Anfang.

Holger Jakobi

Termine: Am 20. und 21. September lädt das Kloster Osek zu Tagen der offenen Tür" ein. Das Pontifikalamt mit Miloslav Kardinal Vlk beginnt am 6. Oktober um 10 Uhr.

Anschriften: Der Freundeskreis Osek" ist unter folgender Anschrift zu erreichen: Ursula Hahn, Dr. Kottmann-Straße 77 in 41516 Grevenbroich. Abt Bernhard Thebes unter der Anschrift: Cisterciácké opatství Osek, CZ-41705 Osek.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.09.1996

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