Klinkenputzen für die Malteser
Österreichische Studenten warben 1000 neue Mitglieder
Cottbus / Görlitz (ks) - Das war harte Arbeit, was die sieben jungen österreichischen Studenten und Studentinnen über zwei Monate im Bistum Görlitz geleistet haben. Geschafft, aber glücklich fuhren sie dieser Tage nach Hause, um den Rest der nun wohlverdienten Semesterferien zu genießen.
"Türklinken putzen" waren sie für eine gute Sache. Treppauf und treppab kämmten sie fast ganz Görlitz und halb Cottbus für die Aufgaben des Malteser Hilfsdienstes durch. Immer wieder das gleiche Sprüchlein, wenn sich eine Tür öffnete, beginnend mit einer Entschuldigung, dann die Erläuterung der Aufgaben, denen sich die Malteser stellen und schließlich die Bitte nach einer Mitgliedschaft, verbunden mit einer kleinen, regelmäßigen, vertraglich zugesicherten Spende.
"Nein, direkt rausgeschmissen hat uns niemand", sagt Tamara Gratl in schönstem österreichischen Dialekt bei der Verabschiedung in Cottbus und sie fügt hinzu: "Im Gegenteil, 99 Prozent aller Angesprochenen waren freundlich und höflich."Auch in die Wohnungen wurden sie in den allermeisten Fällen gebeten. Die Abfertigung direkt an der Haustür war nur selten.
Bei manchem Alleinstehenden hatten die Studenten den Eindruck, hier freut sich ein sonst einsamer Mensch über einen unverhofften Besucher, der zuhört. Natürlich kam nach dem unverkennbaren Dialekt immer wieder die Frage, wieso gerade sie als Österreicher hier mit einer solchen Aktion auftauchen.
Die Erklärung: Für diese Aufgabe wurde an österreichischen Universitäten geworben. Neugierig auf den äußersten Osten Deutschlands, meldeten sie sich aus den unterschiedlichsten Orten Österreichs. Keiner der jungen Leute kannte sich vorher. Und in einer Gegend hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang war bisher auch noch keiner von ihnen.
Umso überraschender war für sie die Aufgeschlossenheit und Aufmerksamkeit, besonders für soziale Probleme, die sie bei den Gesprächen vorfanden. Die persönlichen Nöte, die ihnen mitunter als Entschuldigung für ein Abstandnehmen geschildert wurden, konnten schon unter die Haut gehen.
Diese Geschichte erzählte die Medizinstudentin Dagmar Perwein: Als an einer Tür zur Sprache kam, daß die Malteser eine Einrichtung innerhalb der katholischen Kirche sind, wurde ihr und ihrem Begleiter vorgehalten, sie sollen sich schämen, für eine solche Verbrecherorganisation zu werben, deren Schandtaten bis weit ins Mittelalter zurückreichen. Glücklicherweise waren sie ja immer zu zweit, um so etwas wegzustecken. An der nächsten Tür wurden sie umso freundlicher empfangen. Dazu trug sicherlich auch ihre schmucke weiße Maltesertracht bei.
Einige Cottbuser Bürger fragten später in der Geschäftsstelle der Malteser nach, ob die Aktion tatsächlich seriös sei. Geschäftsführer Michael Doll konnte die Anrufer beruhigen und lud sie zu einer Besichtigung der Malteserstation ein.Der Erfolg der jungen Österreicher war nach Auskunft von Bernd Schmuck, Görlitzer Diözesangeschäftsführer der Malteser, noch viel größer als erwartet.Rund tausend neue Mitglieder konnte der Verband durch die Werbeaktion gewinnen. Damit hat er im Bistum Görlitz jetzt 3300 Mitglieder.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.09.1996