Sorge um Freunde aus Afrika
Christen in Halle engagieren sich für Asylbewerber
Halle (dw) - Evangelische und katholische Christen in Halle engagieren sich seit einiger Zeit in einem gemeinsamen Arbeitskreis für Asylbewerber. Sie haben zahlreiche persönliche Kontakte aufgebaut und befassen sich mit der politischen Situation in den Herkunftsländern. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt seit kurzem einigen Flüchtlingen aus Elfenbeinküste. Ihnen droht die Abschiebung, obwohl die Sicherheit ihres Herkunftslandes umstritten ist.
"Goubo ist uns ans Herz gewachsen", sagte der Hallesche Propst Joachim Weber einer kleinen Runde von Journalisten, die er kürzlich eingeladen hatte. Der Asylbewerber aus Elfenbeinküste, der an seiner Seite saß, gehört zur Propsteigemeinde. Ebenso wie rund achtzig seiner Landsleute in Sachsen-Anhalt ist der Lehrer Goubo Gnadou von Abschiebung bedroht. Das Auswärtige Amt hat ihr Heimatland als "sicheres Herkunftsland" eingestuft.
Goubo Gnadou, der vor politischer Verfolgung nach Deutschland geflohen ist, sieht das ganz anders. Die Menschenrechtsverletzungen in Elfenbeinküste träten weniger offen zutage als in Togo oder Zaire. Das bedeute aber keineswegs, daß es sie nicht gebe. Sein Freund Guy Bowie, ein Journalist, der in Thüringen Zuflucht genommen hat, berichtet von Einschüchterungsmethoden, die er am eigenen Leib erfahren hat: Vor seinem Haus wurde er verhaftet, in einen stockdunklen Raum gebracht und dort drei Tage lang festgehalten und mit Elektroschocks gequält. Ohne jedes Verhör wurde er danach wieder freigelassen.
Jüngere Berichte der Organisation "Amnesty international" bezeugen ebenfalls massive Menschenrechtsverletzungen in Elfenbeinküste. Unter anderem ist da von willkürlichen Verhaftungen die Rede, denen unbeteiligte Passanten bei Demonstrationen zum Opfer fallen, von monatelanger Haft für politische Gefangene ohne Gerichtsverfahren. "Wir sagen keinesfalls ein generelles Nein zu einem Rückführungsprogramm, sagt Propst Weber, der selbst schon einige Asylbewerber bei Gerichtsterminen begleitet hat. Bevor weitere Ivorer (Bewohner der Elfenbeinküste) abgeschoben würden, sollte jedoch erst einmal überprüft werden, ob die bisher Abgeschobenen in Sicherheit lebten.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind 1995 aus Deutschland 49 Ivorer abgeschoben worden. Die Hallesche Asylgruppe hat selbst versucht, einigen Schicksalen nachzugehen - allerdings ohne große Erfolge. Die deutsche Botschaft und auch der Erzbischof von Abidjan wußten von keinem einzigen aus Deutschland Abgeschobenen, teilweise hatten auch die Familien der Abgeschobenen noch nichts von ihren Angehörigen gehört. Propst Weber und andere in der ökumenischen Gruppe haben den Verdacht, daß die Rückkehrer erneuter Haft und Verfolgung ausgesetzt sind.
Ihre Sorge um die Asylbewerber aus Elfenbeinküste wächst, allerdings auch die Ratlosigkeit, wie ihnen zu helfen sei.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 22.09.1996