Alte Liedtraditionen wiederbeleben
Magdeburg (dw) - Einige Monate nach der Einführung der jüngsten Gotteslob-Neuauflage wird in den Gemeindegottesdiensten am 13. Oktober ein eigener Magdeburger Bistumsanhang vorgestellt. "Es wurde höchste Zeit, denn zusehends bröckelt eine Tradition weg", sagt Diakon Bernd Zülicke, Beauftragter für Kirchenmusik im Bistum Magdeburg.
"Wie freue ich der Botschaft mich" und viele andere Gesänge, die in den Bistumsanhang aufgenommen wurden, stammen aus dem "Sursum Corda", dem Gesangbuch des Erzbistums Paderborn, das auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurückgeht und bis Ende der sechziger Jahre im Bischöflichen Kommissariat Magdeburg in Umlauf war. "Noch können die älteren Gemeindemitglieder diese einst beliebten Lieder kräftig mitsingen. 35jährige kennen sie schon nicht mehr", erläutert Diakon Zülicke.
Nicht nur die Traditionswahrung war das Motiv von Bischof Leo Nowak, eine Kommission zur Liedauswahl für einen Magdeburger Anhang einzuberufen. Der Anhang soll darüber hinaus Lücken schließen, die der Stammteil des Gotteslobes aufweist. Zum Beispiel gebe es dort keinen Eröffnungsgesang zum Palmsonntag, sagt Bernd Zülicke. Auch Heiligenlieder kämen im Stammteil sehr kurz. Im neuen Diözesananhang sind deshalb den Heiligen Anna, Johannes und Liborius eigene Lieder gewidmet.
Dem neuen geistlichen Liedgut hat die Auswahl-Kommission, der Vertreter des Priesterrats, der Dechanten und des Ordinariats sowie zwei Kirchenmusiker angehörten, ebenfalls beträchtlichen Platz eingeräumt. "Wegwerflieder" - dazu zählt der Kirchenmusikbeauftragte die meisten Lieder der Religiösen Kinderwochen - habe man allerdings nicht aufgenommen, erklärt er.
Lieder wie "Wenn das Brot, das wir teilen" oder "Singt dem Herrn alle Völker und Rassen" hätten sich dagegen bereits über einige Jahre hindurch bewährt. Die in vielen Gemeinden verbreitete "Zettelwirtschaft", hofft Zülicke, könnte mit dem erweiterten Gotteslob erheblich eingeschränkt werden.
Schon bei der Erstellung des 1975 erschienenen gemeinsamen Gotteslob-Anhangs der sechs kirchlichen Jurisdiktionsbezirke war Bernd Zülicke beteiligt. Damals sei es nicht möglich gewesen, einen Magdeburger Eigenteil herauszugeben. Es sei schon schwierig gewesen, überhaupt eine Druckgenehmigung zu bekommen: "Daß in einem sozialistischen Land die gleichen Lieder gesungen werden sollten wie im Westen, war den Oberen natürlich ein Dorn im Auge", erinnert er sich. Mit Hilfe des Bonifatiuswerkes wurde es möglich, den ostdeutschen Anhang zu drucken.
Manchmal sei es bei den damaligen Planungen nicht einfach gewesen, die vielen regionalen Eigenheiten Ostdeutschlands unter einen Hut zu bekommen. Für die Melodie von "Tauet Himmel den Gerechten" etwa habe es neun Fassungen gegeben, so daß der Text ohne Noten aufgenommen werden mußte. Vor der Einführung des "Gotteslobs" hatte es einige Jahre lang ein Übergangs-Gesangbuch gegeben.
Ende der sechziger Jahre wäre eigentlich eine Neuauflage des "Sursum Corda" und anderer Diözesangesangbücher fällig gewesen. Da die Herausgabe des Gotteslobs aber bereits absehbar war, entschloß man sich damals zu der gemeinsamen Übergangsfassung der sechs Jurisdiktionsbezirke.
Der Madgeburger Bistumsanhang zum Gotteslob ist in einer Auflage von 27 000 Stück im Benno-Verlag erschienen. Zum Preis von zwei Mark kann er bei allen Gemeindepfarrern erworben werden. Wer nach dem 13. Oktober im Bistum Magdeburg ein neues Gotteslob kauft, wird den neuen Anhang darin bereits vorfinden.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.10.1996