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Aus der Region

Wunderbare Zeugnisse für Christus

DDR und Stasi

Erfurt (ep) - Für "unverzichtbar" hält der Erfurter Philosoph Konrad Feiereis die weitere Aufarbeitung der Stasi-Verstrickungen in Gesellschaft und Kirche. Die erneut aufgeflammte Diskussion über die Schuld der Deutschen an der Judenvernichtung zeige, daß die Vergangenheit die Menschen immer wieder einhole, sagte der Professor im Gespräch mit dem Tag des Herrn. Auch die kommenden Generationen würden sich solchen "unausweichlichen Fragen stellen müssen", so der Theologe, der auch nach seiner kürzlich erfolgten Emeritierung sein Fach bis zur Ernennung eines Nachfolgers am Philosophisch-Theologischen Studium vertritt.

Unter denen, die ihn bespitzelt hätten, so der katholische Philosoph, habe es sowohl Priester als auch Laien gegeben, denen er bedingungslos vertraut habe. Professor Feiereis: "Nachdenklich macht mich, daß ich so gut wie niemandem begegne, der Schuld und Versagen einzugestehen bereit wäre. Ob hier nicht Menschsein und Menschlichkeit deformiert wurden, ist eine Frage, die mich nicht mehr losläßt..

Eine nachträgliche Schulderklärung der Kirche als solcher hält er für unangemessen. "Keiner unserer Bischöfe hat je behauptet, er wäre schuld- und fehlerlos geblieben." Andererseits hätten aber vor allem Christen, die inmitten der DDR-Gesellschaft und ihrer Arbeitswelt gelebt haben, ein "wunderbares Zeugnis für Christus erbracht", in dem sie "Benachteiligung und Verspottung bis hin zur Verfolgung in Kauf genommen" haben. Feiereis: "Ihre ,Kirchengeschichte' muß noch geschrieben werden." Etwas anderes seien manche Tendenzen der Kirchenpolitik: "Über deren Absichten, ihren guten Willen, ihre Verstrickungen, ihre Zaghaftigkeiten, über Strategien der sogenannten ,Überwinterung', über die theologischen Konzeptionen dieser Kirchenpolitik insgesamt wird die historische Forschung ihre Urteile zu fällen haben", so der Geisteswissenschaftler.

Sobald ein Nachfolger auf seinem Lehrstuhl gefunden ist, will Feiereis ein Seminar einrichten, das die Alltagssituation der Christen in der DDR untersucht. Den Auftrag dafür bekam er von den Bischöfen der Region Ost, die bei ihrer letzten Zusammenkunft Ende 1995 als Ergänzung zum bereits bestehenden Zeitgeschichtlichen Seminar ein Seminar für Geistesgeschichte am Philosophisch-Theologischen Studium einrichteten, das den Lehrstühlen für Philosophie und Pastoraltheologie untersteht.

Ziel soll sein, nach dem Einfluß der Ideologie auf das Lebensschicksal sich bekennender Christen in der DDR zu fragen und den Einsatz der Kirche in Erziehungs- und Bildungsfragen zu untersuchen, "der den Mächtigen ein besonderer Dorn im Auge war", wie Feiereis weiß. "Von besonderer Bedeutung" seien bis heute die Arbeiten und Sitzungen der Ökumenischen Versammlung 1988/89 in der DDR. Bei seinen Untersuchungen möchte Feiereis das Gespräch mit Zeitzeugen auch des früheren Ostblocks suchen. Der Professor hofft, auf diese Weise einen Beitrag zur Aufhellung der geistesgeschichtlichen Entwicklung der jüngsten Vergangenheit leisten zu können.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 43 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.10.1996

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