Sozialer Unmut wird größer
Königswalder Friedensseminar
Königswalde - " In Krisenzeiten wie diesen, den Sozialstaat kontinuierlich zu schrumpfen und durch sogenannte Einsparungen zu verkleinern, ist das Unvernünftigste, was man jetzt tun kann. Stattdessen sollte man vielmehr darauf achten, daß das soziale Netz in Deutschland nicht noch durchlässiger wird..
Nicht nur Referent Dr. Rainer Land, auch die Mehrzahl der weit über 50 Teilnehmer an der Herbsttagung des Königswalder Friedensseminars zeigten sich nicht zuletzt im Hinblick auf das kürzlich in Bonn verabschiedete Sparpaket sichtlich engagiert in der Diskussion zum Thema "Deutschland im Sozialabbau - Chancen und Grenzen des Sozialstaates". Die permanente Kürzung sozialer Leistungen habe, so die einhellige Meinung, statt einer Verbesserung der Situation vielmehr einen zunehmenden Unmut in der betroffenen Bevölkerung zur Folge.
Das ökumenische Seminar in der Jacobikirche im westsächsischen Königswalde, welches seit 1973 sozial- und gesellschaftskritische Themen diskutiert und sich besonders in der Zeit der politischen Wende in der DDR als Friedensbewegung einen überregionalen Namen machte, versuchte, die Situation des Sozialstaates Deutschland zu analysieren und zu hinterfragen. Nicht zuletzt bemühte man sich, Wege aus der offensichtlichen Misere der deutschen Sozialpolitik zu finden.
Schnell wurde jedoch sowohl Referenten als auch Gästen deutlich, daß die gesamte Thematik eines tieferen Hinterfragens bedarf. In einer engagiert geführten Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Bürgerrechts-, Wirtschafts- und Politikkreisen bemerkte der Sozialamtsleiter des Landkreises Zwickauer Land, Reinhard Kuban, daß beispielsweise durch ein weiteres Herabsetzen des Existenzminimums keinem geholfen sei, sondern vielmehr der soziale Friede in der Bundesrepublik auf dem Spiel stünde. Mögliche Alternativen zur derzeitige.
Sozialstaatssituation zeigte Rainer Land auf: "Mit der Verkürzung von Arbeitszeiten darf es nicht zu einem steigenden Konsumverhalten der Menschen in ihrer Freizeit kommen. Vielmehr sollten Tätigkeiten außerhalb der reinen Wirtschaftsbeschäftigung populärer werden", umreißt er das Konzept eines französischen Philosophen.
Für den Mitorganisator der Veranstaltung, Hansjörg Weigel, ist die an den Tag gelegte kontroverse Gesprächskultur in Königswalde ein wichtiges Signal. "Die heftige Diskussion zeigt, daß der soziale Unmut immer größer wird. Natürlich kann ein einziger Gesprächsnachmittag keinesfalls ausgefeilte Lösungen entwerfen, aber durch das Thematisieren der Misere rückt vielleicht für noch mehr Menschen die dringende Notwendigkeit für Reformen ins Bewußtsein", resümierte er am Schluß der Veranstaltung.
Die schon zur Tradition gewordenen Treffen des Friedensseminars finden zweimal jährlich in der evangelischen Kirche Königswalde statt.
Daniel Heinze
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.11.1996