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Aus der Region

Ökumene-Anstöße

Dieter Tautz, Pfarrer in der Lutherstadt Eisleben, im Interview

In Eisleben wird heute der Abschluß des Lutherjahres gefeiert. Wie sieht Ihre Bilanz dieses Gedenkjahres aus?
Grundsätzlich halte ich es schon für sinnvoll, Gedenkanlässe wie Martin Luthers Todesjahr in großem Rahmen aufzugreifen. Das Lutherjahr war eine Gelegenheit, Luthers Anliegen neu unter die Lupe zu nehmen, die auch genutzt worden ist. Die Vermarktung Luthers war mitunter lästig und naturgemäß sehr auf Äußerlichkeiten beschränkt. Doch auch der Tourismus hat sein Positives, das nicht übersehen werden sollte. Ich glaube, daß mancher nachdenklich geworden ist beim Besuch der Lutherstätten.
Ist das Lutherjahr auch in den katholischen Gemeinden als Anstoß verstanden worden?
Ein "ökumenisches Wunder" ist natürlich nicht eingetreten. Das Lutherjahr war eine Station auf dem Weg der Ökumene. Ökumenisch interessierte katholische Gemeinden haben den Anstoß aufgegriffen und sich mit Luther und seinem Anliegen der ständigen Erneuerung der Kirche auseinandergesetzt. Im Bewußtsein, daß die Spaltung der Kirche nicht allein von Luther ausgegangen ist, setzten sie sich für die Einheit der Kirchen ein. Für Gemeinden, die vorher andere Schwerpunkte gesetzt haben als die Ökumene, hat wohl auch das Lutherjahr keinen Wandel gebracht. Hervorheben möchte ich zwei Veranstaltungen zum Luthergedenken in Eisleben: das Ökumenische Symposion im Februar, das die heute drängende Aufgabe der Erneuerung und Einheit der Kirche zum Gegenstand hatte, und den Gemeinsamen Kirchentag unserer Region im Juni.
Sind diese Ereignisse nicht längst wieder in Vergessenheit geraten?
Ein nachhaltiger Impuls des Lutherjahres war die Einladung der Bischöfe Sachsen-Anhalts und Thüringens zum ökumenischen Gebet. Ihr Vorschlag, das Kreuzzeichen zu einem verbindenden Zeichen werden zu lassen, hat auf evangelischer Seite nicht gerade einen Begeisterungssturm ausgelöst, aber ein Nachdenken darüber hat begonnen. Luther selbst hat seinen Abend- und Morgensegen ja mit dem Kreuzzeichen begonnen. Ferner: der Eislebener Kirchentag hat angeregt, im Jahre 2000 das Jubiläum der Menschwerdung Christi mit einem gemeinsamen Deutschen Kirchentag für alle Konfessionen zu begehen. Das hat Widerhall gefunden. Allerdings gibt es dabei einige Hürden zu überwinden. Das größte Problem wäre - wie in Eisleben - sicherlich, daß beim Hauptgottesdienst am Sonntag noch keine gemeinsame Abendmahlsfeier möglich ist.
Aus manchen Gemeinden ist die enttäuschte Meinung zu hören, seit 1989 habe sich die Ökumene eher zurückentwickelt. Wie schätzen Sie die Zukunftschancen ein?
In den vergangenen 50 Jahren hat sich im Vergleich zu den Jahrhunderten vorher soviel getan, daß ich hoffnungsvoll bin, daß die Einheit in Vielfalt eines Tages Wirklichkeit wird. Wichtig scheint mir - und das hat auch der Eislebener Kirchentag gezeigt: die Intitiativen müssen von unten kommen.

Interview: D. Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.11.1996

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