Aus der Region
Sind die Zeugen Jehovas gefährlich?
Interview mit Klaus-Dieter Pape
Der Tübinger Theologe Klaus-Dieter Pape ist Mitbegründer des Vereins "Christliche Dienste", der wissenschaftlich fundierte Information und Aufklärung über die Zeugen Jehovas zusammenstellt und Interessenten zur Verfügung stellt. Auch in den neuen Bundesländern hält er Vorträge und Seminare.
Man bringt den Zeugen Jehovas hierzulande durchaus Respekt entgegen - aufgrund ihres missionarischen Engagements und der Nachteile, die sie zu DDR-Zeiten in Kauf nehmen mußten. Sie bezeichnen die Zeugen als gefährlich. Warum?
Die Organisation, die hinter den Zeugen Jehovas steht, die Wachtturmgesellschaft, vertritt ein destruktives Weltbild. Es ist bestimmt von einem Dualismus zwischen der Welt Gottes, die nur den Zeugen Jehovas zugänglich ist und der Welt Satans. Wer sich darauf einläßt, muß sein früheres Leben komplett ausblenden. Die starke Endzeitangst, die die Gesellschaft verbreitet, und die strenge hierarchische Ordnung treiben die Mitglieder mit der Zeit in psychische Abhängigkeit. In ihrer Familien- und Karriereplanung sind sie nicht frei, sie dürfen keine Kritik üben und sind ständig gehalten, Leistungen vorzuweisen.
Wie geht die Wachtturmgesellschaft mit Aussteigern um?
Man redet ihnen zum Beispiel ein, daß es ihnen, "getrennt vom einzigen Kanal Gottes", sehr schlecht gehen wird. Insbesondere Kritiker werden psychisch unter Druck gesetzt. Sie werden nicht mehr gegrüßt, Gerüchte werden über sie verbreitet, sie erhalten Drohbriefe bis hin zu anonymen Morddrohungen.
Was sollte man tun, wenn Zeugen Jehovas an der Haustür klingeln?
Man muß sich bewußt machen, daß die Zeugen Jehovas kein ökumenisches Gespräch suchen. Ihr einziges Ziel ist es, bei ihren Gesprächspartnern Glaubenszweifel hervorrufen und sie dazu zu bringen, die Wahrheit der Zeugen anzunehmen. Für Christen, die kein festes Bibelwissen haben, halte ich es nicht für ratsam, sich auf Dialoge einzulassen.
Was raten Sie Menschen, die einen Freund oder Verwandten vor den Zeugen Jehovas bewahren wollen?
Demjenigen, der sich mit den Zeugen Jehovas eingelassen hat, keine Vorwürfe machen, seine Suche ernstnehmen und sich selber sehr intensiv und sachlich informieren, zum Beispiel bei den Sektenbeauftragten des Bistums. Menschen, die sich von den Zeugen angesprochen fühlen, befinden sich oft in einer persönlichen Krise. Um sie begleiten zu können, muß ein Vertrauensverhältnis gewahrt bleiben. Abfällige Bemerkungen können das Vertrauen zerstören. Wenn jemand sich trotz ausführlicher Information entscheidet, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, sollte man seine Entscheidung respektieren.
Interview: Wanzek
Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 46 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.11.1996
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.11.1996