Mehr Mobilität für Behinderte
Cottbus (ks ) - "Ich möchte am Sonntag vom Seniorenheim "Albert Schweitzer" zur heiligen Messe gefahren werden! Ist das möglich?" - eine telefonische Anfrage, die Wolfgang Müller vom Lazarus Hilfswerk in Cottbus entgegennimmt. Er sagt zu und macht eine Notiz in seinem Plan der durchzuführenden Fahrten.
Fahrzeuge mit dem grünen achtspitzigen Lazaruskreuz sind seit 1990 im Cottbuser Stadtbild präsent. Die Spitzen stehen für die ritterlichen Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe, Barmherzigkeit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, Weisheit und Mäßigung.
Auf Initiative der Caritas-Kreisstelle Cottbus überließ die Bundesgeschäftsstelle des Lazarus-Hilfswerkes in Hürth bei Köln damals den Cottbusern ein Auto.
Das war der Anfang, aus dem dann 1991 die Niederlassung des Larzarus-Hilfswerkes in Cottbus entstand. Vier Fahrzeuge sind inzwischen ständig im Einsatz. Eines davon wurde von der Aktion Sorgenkind gesponsert.
Vier Zivildienstleistende und - wenn nötig - Wolfgang Müller, der einzige hauptamtlich Angestellte, sind werktäglich ab 5.45 Uhr unterwegs, um Kinder zur Körperbehindertenschule zu bringen und wieder abzuholen, Behinderte zu physiotherapeutischen Anwendungen, zu Geburtstagsfeiern, Konzerten oder Tierparkbesuchen zu fahren.
Die Sozialstationen der Caritas und der Diakonie nehmen die Dienste ebenso in Anspruch wie Seniorenheime verschiedener Träger. Die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden organisieren ihre Seniorengottesdienste und Behindertenzusammenkünfte in Absprache mit dem Lazarus-Hilfswerk.
Der überkonfessionelle Ordensstatus, dem sich das Hilfswerk verpflichtet weiß, kommt in der Diaspora zum tragen. Aber auch über den Rahmen der Kirchgemeinden hinaus ist das Lazarus-Hilfswerk für jedermann ansprechbar.
In den neuen Bundesländern ist es nur in Cottbus, Aschersleben und in Berlin, dort aber in sehr großem Umfang anzutreffen. Während sich in Cottbus der Schwerpunkt der Arbeit auf den Behindertenfahrdienst konzentriert, werden andernorts weiterreichende soziale Dienste angeboten.
Auch im Ausland, und hier besonders im östlichen Europa, ist das Lazarus-Hilfswerk tätig. Gerade in den letzten Jahren sind ganze Lkw-Konvois mit Hilfsgütern nach Rußland, Litauen, Ungarn, Polen und ins ehemalige Jugoslawien gegangen. Teilweise werden in diesen Ländern eigene Einrichtungen unterhalten. Neuerdings reicht der Einsatz bis in die Krisengebiete Afrikas.
Die Finanzierung all dieser Hilfsmaßnahmen geht allein über Mitgliedsbeiträge oder über Spenden, wobei keinerlei aktive Werbung betrieben wird. Beim letzten Berliner Katholikentag, kurz nach dem Fall der Mauer, wurde das Lazarus-Hilfswerk kurzfristig für die Betreuung der behinderten Teilnehmer eingesetzt.
Nach den guten Erfahrungen bei dieser Veranstaltung interessierte sich der Berliner Senat für die Institution. Heute sind die sogenannten "Telebusse" aus dem Berliner Stadtbild nicht mehr wegzudenken.
Im vergangenen Jahr waren Cottbuser Lazarushelfer mit ihren Fahrzeugen bei einer Behinderten-Wallfahrt im polnischen Küstrin im Einsatz. Ein 85jähriger Pole, ehemaliger Auschwitz Häftling, lobte spontan durch eine kleine Ansprache vor den Pilgern den Einsatz der deutschen Lazarener für die polnischen Kranken als beispielhaft und völkerverbindend.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.12.1996