Einen zupackenden Glauben leben
Kolping-Gedenktag in Dresden
Dresden (ms) - Seit 1990 gibt es das Kolping-Bildungswerk Sachsen. In seiner Begrüßungsansprache zum diesjährigen Kolping-Gedenken am 4. Dezember im Dresdner Kulturpalast, zu dem das Bildungswerk einlud, ließ Diözesanpräses Rudolf Birner in einem Rückblick auf die vergangenen 6 Jahre die Entwicklung des Bildungswerkes Revue passieren. Mit wenigen Mitarbeitern begann das, was heute in Sachsen einen wichtigen Pfeiler der beruflichen Bildungsarbeit für sozial benachteiligte und lernbehinderte Jugendliche bedeutet. Mit über 1000 hauptamtlichen Mitarbeitern werden in 10 Bildungszentren und einer beruflichen Förderschule in ganz Sachsen Angebote zur beruflichen Qualifizierung und Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt gemacht.
Dabei sei die relativ hohe Vermittlungsquote besonders erfreulich und ermutigend, wie der Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, in seinem Grußwort feststellte. Er forderte noch einmal eindringlich, dabei mitzuwirken, daß in der momentanen gesellschaftlichen Lage das "Soziale" bei allen marktwirtschaftlichen Überlegungen und volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten nicht "unter die Räder" kommen dürfe. In Kolping sehe er hierfür einen verläßlichen Partner. Mit der Arbeitsverwaltung gemeinsam wurden und werden neue innovative Projekte und Maßnahmen erschlossen, um möglichst nahe an der Arbeitspraxis ausbilden zu können. Klaus Ehrsam sagte für die Arbeitsverwaltung auch zukünftig die fachliche und organisatorische Unterstützung bei der wichtigen Aufgabe, jungen Menschen eine berufliche Perspektive zu eröffnen, zu.
Die Internationalität des Kolpingverbandes wurde durch die Teilnahme von Vertretern des Kolpingwerkes der Tschechischen Republik dokumentiert. Der Zentralsekretär des Tschechischen Kolpingwerkes, Libor Havlik, dankte in seiner Ansprache dem Kolping-Bildungswerk Sachsen für die große Unterstützung bei Projekten in Tschechien. Hier sei in kurzer Zeit Großes geleistet worden. So konnte zum Beispiel seit 1994 mit Bundesmitteln ein Projekt für über 100 Beschäftigte der Baubranche in Zdar nad Sazavon aufgebaut werden.
Es handelt sich dabei um ein Modellprojekt für sozialverträgliche Auflösung von Staatskombinaten. In dem ehemaligen Zentrum für Maschinenbau und Bergbau ist heute ein Profi-center untergebracht, das einen Bauhof, eine Bautischlerei und -schlosserei sowie einen Dachdeckerbetrieb beherbergt. In seiner Festrede bezeichnete der sächsische Landtagsabgeordnete und Staatsminister a.D. Heinz Eggert das Kolpingwerk und seine Einrichtungen als praxisorientierte und tatkräftige Organisation.
Er habe in seiner aktiven Zeit als Studentenpfarrer in Zittau Kolping immer als "zufassend" erlebt, und man habe auch damals zu "DDR-Zeiten" etwas tun, etwas bewirken können. Eggert skizzierte die heutige Situation in Form der Frage: "Vor welchen Altären liegen wir heute?" Die Antwort ist nicht nur pessimistisch, sie ist vielgestaltig und gibt auch Anlaß zur optimistischen Weltsicht. Der sächsische CDU-Politiker machte an einigen Schlagworten seine Antwort fest. Auf der einen Seite sei das Habenwollen und das Besitzwollen einer dieser Altäre, der sich auf den Einheitsprozeß dadurch negativ auswirke, daß die Lebensleistung der Bürger aus Ostdeutschland nicht auf dem Konto in DM zu verbuchen sei. Menschliche Beziehungen würden freiwillig materialisier.
Eggert weiter: "Es wäre verhängnisvoll, wenn die Menschen zu dem Entschluß kämen, daß Demokratie nichts taugt, weil einzig ihr grenzenloses Wohlstandsbedürfnis nicht erfüllt werden kann." Den richtigen Weg zwischen Unter- und Überforderung des Menschen zu finden, das Gefühl der Werthaftigkeit zu vermitteln, das Verständnis für das Wesentliche des Lebens zu fördern, den Versuch der Veränderung wagen, auch wenn die Schritte klein sind und das Vorleben von Idealen sind Aufgaben für eine Gemeinschaft wie Kolping. Mit Humor und Fröhlichkeit "zupackenden Glauben" zu leben, dies sei Kolping, schloß der Festredner.
Unter den Klängen der Ilka-Kraske-Dixieland-Band fand im Anschluß eine Begegnung der rund 1100 Festgäste statt. Im Rahmen einer Aktion zugunsten einer Caritas-Station in Rumänien kamen 4000 Mark als Spenden zusammen, die dann noch spontan durch eine Baufirma um 2000 Mark aufgestockt wurden. Ein Scheck wurde dem Vorsitzenden des Kolping-Bezirksverbandes West, Siegfried Werner, übergeben. Das Geld wird direkt für die Sozialstation und Armenküche in Temesvar eingesetzt.
Vor 150 Jahren wurde in Elberfeld bei Wuppertal mit einigen Handwerksgesellen ein Werk begonnen, das heute rund 440 000 Mitglieder auf allen Kontinenten der Erde zählt. Kolping in Sachsen präsentiert sich als moderner Verband mit engagierten Einrichtungen und innovativer Bildungsarbeit.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.12.1996