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Bistum Dresden-Meißen

Verantwortliche auf dem "heißen Stuhl"

Jugendpolitischer Tag

Dresden - Fehlender Kontakt untereinander, unzureichende Kenntnis der Gesetze und Fördermöglichkeiten, die Lust, sich mal kennenzulernen - das waren Gründe, die zur Abhaltung eines "Jugendpolitischen Tages" im Bischöflichen Ordinariat Dresden führten. Unter Federführung der Landesarbeitsgemeinschaft katholischer Jugendarbeit in Sachsen (LAGS), der katholischen Jugendseelsorge des Bistums und dem Diözesancaritasverband wurden alle denkbaren Menschen eingeladen, die in der katholischen offenen Jugendarbeit tätig sind. Etwa vierzig fanden den Weg nach Dresden, um einmal alle Fragen und Probleme zusammenzutragen.

Nach einer Diskussionsphase in Gruppen wurden die wichtigsten Punkte aus den einzelnen Dekanaten im Plenum vorgetragen, nicht ohne dabei die anwesenden Vertreter öffentlicher Stellen direkt anzusprechen.

Eingefunden hatten sich gleichsam auf dem "heißen Stuhl" unter anderem Heiner Sandig, Vizepräsident des Sächsischen Landtages, Christian Pokorni, Referatsleiter Jugend im sächsischen Kultusministerium, der Dresdner Jugendamtsleiter Klaus Lippmann sowie Bischof Joachim Reinelt. Sie alle mußten Stellung nehmen zu den Fragen und Forderungen derer, die Jugendarbeit vor Ort leisten.

An erster Stelle stand hier einmal mehr das Geld, es gab vor allem Klagen über fehlende Planungssicherheit bei Personal# und Projektkosten. Die Antwort # oft nur ein Achselzucken: Woher soll das Geld kommen wenn die öffentlichen Kassen leer sind? Man habe sich ohnehin vor Jahren mit festen Personalzusagen schon übernommen, weitere Festlegungen auf Jahre hinaus seien deshalb nicht möglich, so Heiner Sandig. Bischof Joachim Reinelt wies die Vorwürfe zurück, es werde kaum noch eingestellt und Mittel nur noch für Einzelprojekte freigegeben: Die Kirche habe in den letzten Jahren so massiv Leute eingestellt, daß der Haushalt heute von den Personalkosten blockiert sei und Geld für Projekte fehle.

Pfarrer Frank Richter, scheidender Vorsitzender der LAGS und Moderator des Tages, gab die Kritik teilweise an die Jugendarbeit selbst zurück. Zwar stünden im Kinder# und Jugendhilfegesetz viele Aufgaben, um die sich die Kommunen bisher drückten, hier seien aber die Katholiken vor Ort gefragt, auf eine Umsetzung zu drängen. Die zahlreichen katholischen Mitglieder der örtlichen Jugendhilfeausschüsse müßten sich mehr für die Mittel stark machen: "Das ist manchmal eine Sache der Trägheit. Diese Arbeit kann man nicht immer abschieben, sie muß in den Landkreisen gemacht werden." Zudem hätten sich viele ausführlich durch das Arbeitsförderungsgesetz mit Personal bedient # da das Programm jetzt ausläuft, wächst die Angst vor wegbrechenden Strukturen.

"Man hätte wichtige Strukturen aber von vornherein nicht auf diese Stellen gründen dürfen", so Richter. Aber auch er formuliert seine Wünsche an die öffentlichen Stellen # ob Kommune, Land oder Kirche: Kleineren Trägern müsse endlich Planungssicherheit gewährt werden # ein plötzlicher Wegfall der Mittel könne schwere Krisen auslösen und sogar kontraproduktiv für die Arbeit sein. Speziell an die Kirche geht die Forderung, der Jugendsozialarbeit endlich eine festen Platz einzuräumen # sowohl bei der Caritas als auch im bischöflichen Etat.

Um das Caritas#Jahresthema "Jung und schon am Ende?" ging es im letzten Teil des Tages. Ergebnisse aus drei Anfang des Jahres gebildeten Arbeitsgruppen wurden vorgestellt. Gleich die erste Gruppe hatte den Satz etwas abgewandelt und sich am Ende einen Punkt gedacht # um die Kinder und Jugendlichen sollte es gehen, für die das Leben in jungen Jahren tatsächlich schon zu Ende ist.

Krankheiten wie Krebs und Aids, die zum Tode führen waren ebenso Thema wie Verkehrsunfälle, Selbstmorde oder Straftaten mit Todesfolge. Die Zahlen aus Sachsen machten betroffen # 226 Verkehrstote bei Kindern und jungen Menschen bis 25 Jahre, 24 tote Jugendliche durch Mord, Totschlag oder fahrlässige Tötung. Die erschreckende Auflistung zeigte, daß diese Endpunkte von jungem Leben keineswegs Randthemen sind.

"Das Kreuz mit der Sucht" hieß eine weitere Arbeitsgruppe, die sich vor allem mit den Ursachen von verschiedenen Abhängigkeiten und der Präventionsarbeit beschäftigte. Die Teilnehmer wollten herausstellen, daß Sucht nicht von ungefähr kommt, sondern immer konkrete Ursachen wie das soziale Umfeld, die Verfügbarkeit von Rauschmitteln oder Gefühlsprobleme hat. Gerade jungen Menschen sollte mehr klargemacht werden, daß sie die Probleme nicht allein haben und auch anders lösen könnten. Besonders konkret hatte die AG "Arbeit mit Straffälligen" gearbeitet.

Aufgrund von Erfahrungen aus Caritas#Projekten wurde ein ganzer Forderungskatalog für die Verbesserung dieser Arbeit vorgestellt. Vor allem zerrüttete Familienverhältnisse und allgemeine Desorientierung seien Ursachen von Kriminalität. Die Justizvollzugsanstalten seien heute mehr überfüllte Wegschließeinrichtungen als eine Institution, in der junge Straffällige wieder auf die Gesellschaft vorbereitet würden, so der Sprecher der AG Norbert Waldhelm. Gerade innerhalb der Justizvollzugsanstalten müßten Sozialarbeiter der freien Träger freieren Zutritt bekommen, um bessere Betreuung bieten zu können. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten sei wünschenswert, finde aber bisher noch nicht statt.

Am Ende zeigte der Tag vor allem eines: Mehr öffentliches Geld wird es wohl auch in Zukunft nicht geben. Wünschenswert erscheint allen eine zumindest mittelfristige Planungssicherheit daß ein Zittern um die Stellen in jedem neuen Jahr keine dauerhafte Lösung ist, sehen auch die Vertreter von Land und Kommunen nur zu gut. Konkret verbessern kann sich die Jugendsozialarbeit vielleicht, wenn die Beteiligten enger zusammenrücken und Kontakt und Koordination pflegen. Dazu wurde in Dresden ein Anfang gemacht.

Christian Saadhoff

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 46. Jahrgangs (im Jahr 1996).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.12.1996

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