Karmel in ostdeutscher Diaspora
Weimar-Schöndorf (ep) - Nach mehr als einem Jahr ist es nun soweit: Die Karmelitinnen, die im September 1995 aus Dachau nach Weimar kamen, können an diesem Samstag gemeinsam mit Bischof Joachim Wanke ihr Kloster einweihen. Außerdem wird der Bischof den Altar der Weimar-Schöndorfer Kirche, der im Rahmen von Renovierungsarbeiten zur Gemeinde hin versetzt und auch gestalterisch verändert wurde, neu konsekrieren. Die unter großem Engagement der Thüringer katholischen Jugend errichtete und 1957 eingeweihte St.-Bonifatius-Kirche wird nun vor allem zur Klosterkirche der Schwestern.
Für die Karmelitinnen geht mit der Einweihung ihres Klosters ein mehr als einjähriges Provisorium zu Ende: Zunächst hatten sie im Herbst vergangenen Jahres im Pfarrhaus von Oberweimar ein Quartier gefunden und waren erst in diesem Sommer nach Weimar-Schöndorf gezogen, als die notwendigen Umbau- und Erweiterungsarbeiten am ehemaligen Pfarrhaus entsprechend weit fortgeschritten waren.
Inzwischen haben die Schwestern jedoch ihre Zellenräume im ersten Stock des ehemaligen Pfarrhauses bezogen. Außerdem konnten die Karmelitinnen in diesen Tagen das Richtfest für einen kleinen Anbau begehen, in dem zu den sieben Zellen im Pfarrhaus Räume für weitere drei Schwestern entstehen sollen. Im Erdgeschoß des Haupthauses haben sie sich Gemeinschaftsräume eingerichtet. Und im Keller sind Arbeitsräume entstanden. Schließlich legen die Ordensfrauen Wert darauf, ihren Unterhalt selbst zu verdienen, etwa, in dem sie Paramente herstellen, Altartücher und andere Kirchenwäsche waschen oder Übersetzungen für Zeitschriften zum Beispiel aus dem Spanischen oder Französischen übernehmen. Auch ein Klosterladen soll unter anderem deshalb entstehen.
"Das wichtigste jedoch, was Karmelitinnen tun, ist zu beten", sagt Schwester Elisabeth. "Wir feiern täglich die heilige Messe und halten gemeinsam in der Kirche das Chorgebet. Zur Messe, aber auch zum Beispiel zur Sext oder Vesper ist jeder willkommen." Zwei Stunden verwendet jede Schwester täglich für das persönliche innere Gebet und weitere Zeit für die geistliche Schriftlesung. "In unserem Gebet bringen wir immer wieder auch die Sorgen konkreter Menschen und die Nöte von Gesellschaft und Welt vor Gott", sagt Schwester Elisabeth.
Von diesen Sorgen und Nöten erfahren die Karmelitinnen sehr schnell und nicht nur aus Tagesschau und Zeitung, wie die Priorin, Schwester Hildegard, berichtet. Jugendliche sind bereits bei ihnen gewesen und auch ein Kreis von Frauen hat die Karmelitinnen schon besucht. Vieles ergibt sich aber auch in den normalen Alltagsgesprächen, wie Schwester Gisela sagt: "Von dem Tischler, bei dem wir einen Tisch gekauft haben, haben wir erfahren, daß er seine Firma schließen muß, weil etliche seiner Kunden nicht zahlen und sein finanzielles Polster zu klein ist. Oder wir hören immer wieder von den Leuten, welche Probleme sie mit ihren Wohnungen haben..." Aber auch die Frage nach Gott und der Kirche werde ihnen direkt oder versteckt immer wieder gestellt.
"Wir bemühen uns, das Leben mit den Menschen hier zu teilen", sagt Schwester Hildegard. "Wir haben den Eindruck, die Menschen spüren dies." Schwester Gisela: "Die Leute merken: Da sind welche aus dem Westen hierher gekommen. Und die versuchen, mit uns zu leben." Wie dies im einzelnen weiter aussehen wird, ist für Priorin Hildegard und ihre Mitschwestern eine offene Frage. "Wir wollen den Geist unseres Ordens bewahren und zugleich nach Wegen suchen, wie karmelitanisches Leben in der Diaspora aussehen kann", so Schwester Hildegard.
Der Karmelitenorden geht in seinen Ursprüngen auf eine Einsiedlergemeinschaft des 13. Jahrhunderts auf dem Berg Karmel in Palästina zurück. Im 16. Jahrhundert wurde der Orden von der heiligen Teresa von Avila reformiert. Mit dem Karmel von Weimar-Schöndorf gibt es nun 21 Karmelitinnen-Kommunitäten in Deutschland mit rund 320 Schwestern. Weltweit bestehen etwa 840 Konvente mit zirka 13 000 Karmelitinnen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.12.1996