Das wesentliche hängt nicht am Platz und an der Zeit

Auf die Frage, wo das Elend größer und die Verhältnisse schlimmer seien in Kalkutta oder in Äthiopien, ist sich Schwester Benedicta Sroka ganz sicher: "Das Leben in Ähiopien ist noch mehr von Entbehrungen geprägt als hier in Indien." Und sie weiß, wovon sie spricht: Fünf Jahre hat sie das Leben der Menschen in Äthiopien geteilt. Nach einem Jahr der Vorbereitung auf die Ewige Profeß in Kalkutta wird die heute 36 Jahre alte Missionarin der Nächstenliebe nun wieder in das afrikanische Land zurückkehren

Ihre erste Berufung zum Ordensstand so berichtet die ausgebildete Zahnärztin aus Worbis im Eichsfeld, wurde ihr in der Zeit des Abiturs bewußt. Der Tod des Vaters ließ sie das Leben mit anderen Augen sehen. Die Mutter wollte zunächst von solchen Plänen nichts wissen und verlangte den Abschluß des Studiums, vielleicht in der Hoffnung, daß diese Wünsche bis dahin vergessen sind. Ihre zweite Berufung erhielt sie nach dem Abschluß des Studiums in Jena und der Facharztausbildung in Königs Wusterhausen

1987 trat sie in den Konvent der Benedektinerinnen in Alexanderdorf bei Berlin ein. Bald stellte sie aber fest, daß das nicht das Richtige sei. "Mir fehlen die Menschen!", sagte sie ihrer Priorin, die großes Verständnis für den Wechsel zu den Mutter-Teresa-Schwestern Benedicta in Chemnitz zeigte

Heute weiß Schwester Benedicta, wie wichtig die wenigen Monate in Alexanderdorf für ihr Leben sind. "Das war die Vorbereitung, die mein Gott sich ausgedacht hat, für mich. Das ist besonders wichtig in meiner Situation, daß man sich nicht in Aktivitäten verliert."
Nach einem Jahr in der Nähe von Warschau, vier Jahre in Äthiopien und den Monaten in Kalkutta sagte sie: "Ich habe das Wesentliche gefunden. Das Wesentliche hängt zum Glück nicht am Platz und an der Zeit. Das gibt mir augenblicklich große innere Freiheit auch im Hinblick auf Äthiopien.

Gottfried Swoboda