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Aus der Region

Glücklich, dass die Gemeinde wächst

Schwester Gisela wirkt sei zwei Jahren in Kaliningrad

Schwester Gisela Kaliningrad / Wittenberg - "Wir helfen viel mit kleinen Sachen. Wie sollen wir den Menschen dort sonst etwas von Mitgefühl und Gottes Liebe erzählen können?" meint Schwester M. Gisela Noky. Die Marienschwester aus Lutherstadt Wittenberg lebt seit zwei Jahren im russischen Kaliningrad (Königsberg). Zusammen mit den beiden anderen Schwestern M. Stella und M. Angele betreut die 36-jährige eine Kirchengemeinde und kümmert sich ums Gemeindeleben. Das sei oft schwierig und mühsam. Schwester M. Gisela fährt zum Beispiel einmal wöchentlich in eine kleine Filialgemeinde, um den Kindern dort Religionsunterricht zu geben. Hin und zurück sind das 240 Kilometer. Die Gemeindearbeit werde auch durch die nationalen Probleme zwischen Polen, Russen, Litauern, Kasachen und Ukrainern erschwert.
Und alleine schon den Religionsunterricht für die Kaliningrader Kinder zu organisieren, das sei ein Kunststück gewesen. Schwester M. Gisela: "In der Woche wäre das nicht möglich gewesen. Die Kinder gehen nämlich im Zwei-Schicht-System zur Schule." Also findet der Unterricht nun sonntags vor dem dritten Gottesdienst statt. Die Marienschwestern versuchen im Kleinen zu helfen. Wenn Schwester M. Gisela aus dem Heimaturlaub aus Deutschland zurückkommt, hat sie jedes Mal neue Spiele, Luftballons, Stifte und Bausteine im Gepäck. Einem kleinen Jungen, dessen Mutter gestorben ist, und der mit seinem alkoholkranken Vater zusammenlebt, reinigt sie die Kleidung. Ein Erfolg sei es, dass der Kleine nun zweimal die Woche gewaschen sei: donnerstags, wenn sie die dreckige Wäsche abhole und sonntags zum Gottesdienst. Gerade bereitet sie außerdem fünf Erwachsene in der Katechese auf die Sakramente vor und sie hat einen Kreis jüngerer Frauen gegründet, in dem sie den Teilnehmerinnen zum Beispiel erzählt, wie man kirchliche Feste zu Hause feiert. Das Osterei kennt man auch in Kaliningrad, den Spaß, den es macht, dieses zu verstecken und die Kinder später suchen zu lassen, erst seit kurzem. Und sonntags kommen inzwischen an die 160 Gottesdienstbesucher, viele haben dann stundenlange Anfahrtswege hinter sich.

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges gab es in Kaliningrad keine funktionierende Kirche mehr. Erst 1987 entstand wieder eine orthodoxe Gemeinde und zwei Jahre später kam dann der erste katholische Priester wieder nach Kaliningrad. "Dieser Pfarrer hat am Anfang, um auf sich aufmerksam zu machen, den Gottesdienst auf der Kühlerhaube seines Autos gefeiert", erzählt Schwester M. Gisela. Nach und nach seien dann langsam mehr Leute zum Gottesdienst gekommen. "Das waren gläubige Leute, die vorher keine Chance mehr hatten, zu kommunizieren", so Schwester M. Gisela.

Seit 1992 sind Marienschwes-tern in Kaliningrad. Angefangen habe alles mit humanitärer Hilfe: Kleider- und Lebensmittelspenden wurden zum Beispiel verteilt. Spielte sich das Gemeindeleben am Anfang noch in einfachen Baracken ab, in denen auch Gottesdienst gefeiert wurde, besitzt die Pfarrgemeinde seit 1996 wieder ein Gotteshaus. Eine Holzkirche, die vorher als Übergangskirche in Deutschland stand, wurde in ihre Einzelteile zerlegt und vor Ort in Russland wieder aufgebaut. Als Schwester M. Gisela vor drei Jahren erfuhr, dass sie nach Kaliningrad gehen soll, war sie erst einmal geschockt. Eigentlich war sie als Gemeindereferentin in Arnstadt recht zufrieden gewesen. Und vor Ort sei ihr die Eingewöhnung am Anfang schwer gefallen. Aber inzwischen ist sie gerne dort und freut sich, dass die kleine Pfarrgemeinde langsam anwächst. Einen Großteil ihrer Arbeit verbringt sie mit Kindern und Jugendlichen. Im Sommer zum Beispiel gibt es durchweg Kinderwochen. "Da sind wir die ganze Zeit auf Trab" meint sie. "Aber wenn die Leute merken, dass das Leben eine andere Gestaltung bekommt, wenn man einen Platz in der Kirche und zum Glauben findet", das mache sie glücklich. Finanziert wird das Kaliningrader Projekt vor allem über Spenden. Dankbar ist Schwester M. Gisela über die Hilfe der Pfarrgemeinden aus Arnstadt und Geisa. Die Jugendlichen aus ihrer ehemaligen Arnstädter Gemeinde sammeln zum Beispiel regelmäßig durch Konzerte und andere Aktionen Geld für das Projekt. So können die Schwestern den Menschen vor Ort auch mal unbürokratisch helfen. Einem kleinen Jungen zum Beispiel kaufte Schwester M. Gisela endlich einen Schulranzen. Die Familie hätte dafür fast die Hälfte eines Monatsgehalts ausgeben müssen.

Julia Kuttner

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 13.09.2001

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