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Bistum Erfurt

... weil man hier so frei atmen kann

Ökumenische Kindertagesstätte Nordhausen

Sie kommen gern in ihren Kindergarten und Hort: Katrin, Jonas, Mandy, Martin, Johannes, Claudia, Matthias und wie sie alle heißen. Sie genießen die schönen Räume, wollen täglich etwas Neues erfahren, toben gern im Garten umher. Und mindestens die älteren unter ihnen wissen schon um das Besondere ihrer Einrichtung: Ihr Kindergarten und Schulhort befindet sich in ökumenisch-christlicher Trägerschaft

Als die evangelische Blasii-Gemeinde von Nordhausen nach der Wende nach einem größeren Haus für ihren Kindergarten Ausschau hielt und auch die katholische Heilig-Kreuz-Gemeinde über die Eröffnung einer Kindertagesstätte nachdachte, haben evangelische und katholische Eltern 1991/92 einfach die Initiative ergriffen. Mütter und Väter gründeten Anfang 1992 den "Verein ökumenischer Kindergarten Nordhausen e.V.". Und sie eröffneten - trotz eigener Befürchtungen, ohne die beiden Kirchen als Träger möglicherweise keine Kindertagesstätte auf die Beine bringen zu können - am 5. September 1992 den Ökumenischen Kindergarten Nordhausen

"Eine ökumenische Kita zu sein, dies ist seit der Gründung für uns wirklich Programm", sagt die Leiterin Margit Klodt. Bei der inhaltlichen Gestaltung des Lebens hier im Kindergarten orientieren wir uns am Kirchenjahr. "Erntedank oder Weihnachten feiern katholische und evangelische Christen ohnehin gemeinsam, ein Fest wie Fronleichnam stellen die katholischen Erzieherinnen und Kinder ihren evangelischen Mitchristen vor. Wenn dagegen etwa das Reformationsfest dran ist, erfahren die katholischen Kinder und Erzieherinnen etwas über Martin Luther und sein Bemühen um Abänderung von Mißständen in der Kirche seiner Zeit. Dadurch lernen wir uns gegenseitig kennen", sagt Frau Klodt. "Der Anspruch, sich gegenseitig etwas von dem Besonderen der eigenen Konfession zu erzählen, ist ein großer Segen für das ganze Haus", so die Leiterin. Christine Berger, ebenfalls Erzieherin und Mitglied im Vorstand des Vereins Ökumenischer Kindergarten, ergänzt: "Und was für den einzelnen bisher selbstverständlich war, ist manchmal dem anderen gar nicht so einfach zu erklären.

Heute, mehr als vier Jahre nach seiner Gründung, hat der Kindergarten im Zentrum Nordhausens sieben Kindergruppen mit in der Regel je 18 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren. Außerdem gibt es eine altersgerechte Kleinkindgruppe mit um die 15 Mädchen und Jungen im Alter von zwei bis drei Jahren sowie zwei Hortgruppen mit insgesamt 40 Schülerinnen und Schülern.

Wir haben in der Gründungsphase sehr viel Unterstützung von der Stadt Nordhausen bekommen", sagt Norbert Klodt, Mitglied des Trägervereins des Kindergartens. "Die Stadt hat unserem Verein damals nicht nur eine Einrichtung zur Übernahme angeboten, sondern auf unser Ersuchen hin auch dafür gesorgt, daß die bestehenden Gruppen in der Einrichtung mit ihren Erzieherinnen - soweit Kinder und Erzieherinnen dies wollten - geschlossen in einen benachbarten Kindergarten umziehen konnten." Auch seitens der evangelischen Gemeinde habe es mit der Übernahme ihres Kindergartens in die ökumenische Kita keine Probleme gegeben, sagt Frau Klodt, die seit 1990 den evangelischen Kindergarten geführt hatte und 1992 den Ökumenischen Kindergarten übernahm. Und: "Wäre es zu einem eigenen katholischen Kindergarten gekommen, hätte es zwischen beiden Einrichtungen nur unnötige Konkurrenz gegeben.

Eine große Rolle im Leben der Mädchen und Jungen und ihrer Erzieherinnen spielt der sogenannte Morgenkreis in einem dafür eigens eingerichteten Raum. Hier erarbeiten Kinder und Erzieherinnen in den Schritten Hören, Sehen, Erleben miteinander die Feste im Jahreslauf. Durch Erzählen, Gestalten von Schaubildern besonders auch mit Naturmaterialien, Singen und Spielen erschließt jeweils über eine Woche hinweg eine verantwortliche Erzieherin gemeinsam mit den Mädchen und Jungen ein Thema. So wird ein Fest wie Erntedank über mehrere Wochen hinweg inhaltlich vorbereitet, in dem beispielsweise allein vier Morgenkreise um das Thema Getreide und Brot kreisen oder weitere Runden um Trauben und Wein.

Höhepunkt der letzten Wochen war die Vorbereitung auf Weihnachten, die nicht erst in der letzten Adventswoche begann, sagt Frau Klodt: Maria und Josef waren schon zu Beginn der Adventszeit als Figuren durch den Morgenkreisraum auf dem Weg nach Betlehem unterwegs. Tag für Tag wurde das Weihnachtsgeschehen so ein bißchen mehr Wirklichkeit. "Am Dreikönigstag haben wir dann in unserem Raum eine richtig große Krippe stehen mit dem Kind, Maria und Josef, den Hirten und Königen, der Stadt Bethlehem ...", so Margit Klodt. "Die Kinder spielen auch selbst die Hirten... Großer Wert wird bei uns auf Zeichen und Symbole gelegt, zu denen die Kinder einen Bezug herstellen können", erzählt Frau Klodt.

Der Morgenkreis, der zwischen 20 und 30 Minuten dauert und bei dem alle Kinder und Erzieherinnen des Kindergartens zusammen sind, findet montags bis donnerstags statt. Freitags wird mit einem Lied und Gebet auf den Sonntag eingestimmt. An Tagen wie dem Martinsfest sind auch die Eltern eingeladen, mitzufeiern und auch am Morgenkreis teilzunehmen.

Selbstverständlich sind auch nichtchristliche Kinder willkommen. Bedingung allerdings ist, so Leiterin Margit Klodt, daß die Eltern akzeptieren, daß wir die Kinder christlich erziehen.

20 pädagogische Mitarbeiterinnen, darunter auch Teilzeitkräfte, sichern gemeinsam mit Mitarbeitern im Küchen- und Wirtschaftsbereich, zwei Praktikantinnen, zwei ABM-Beschäftigten sowie einem Zivildienstleistenden den Kindergartenbetrieb ab. Die Personalkosten für die Erzieherinnen tragen die Stadt und der Freistaat Thüringen zu je 50 Prozent. Das technische Personal sowie die Betriebskosten und Anschaffungen wie zum Beispiel von Spielzeug werden aus Elternbeiträgen und Zuschüssen des Freistaates finanziert. Norbert Klodt: "Wir kommen mit den Geldern hin. Man muß halt sehen, daß man die Töpfe anzapft, die da sind." Die Räumlichkeiten der ehemaligen staatlichen Einrichtung kann der Ökumenische Kindergarten kostenlos nutzen

Und wie wird es weitergehen? "Bisher haben wir keine Probleme mit der zurückgehenden Kinderzahl. Im Gegenteil, die Nachfrage ist bei uns bislang so groß, daß es schon eine Warteliste gibt", sagt Frau Klodt. Unser Einzugsgebiet ist die ganze Stadt. "Wir versuchen durch Qualität zu überzeugen. Und bewußt ein christliches Profil zu verwirklichen. Wenn wir uns nicht von den anderen mehr als ein dutzend Einrichtungen in Nordhausen unterscheiden würden, kämen die Kinder nicht alle zu uns." Konstanze, die als Schulkind gern in den Hort kommt und sich in den beengten Räumen ihrer Schule nicht wohlfühlte, bringt es auf den Punkt: "Ich komme gern in den Kindergarten, weil man hier so frei atmen kann."

Eckhard Pohl

www.oekumenischer-kindergarten.de

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.01.1997

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