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Aus der Region

Wenn Pfarrers Hände am Kännchen anfrieren

Kälteschutz in Kirchen - Interessantes und Kurioses

Drei Wochen Dauerfrost und Temperaturen bis minus 25 Grad - das halten selbst die dicksten Kirchenmauern nicht aus. Zwar verfügen mittlerweile viele Kirchbauten über eine Heizung, doch mancherorts ist das nicht möglich und nicht sinnvoll. Vor allem in großen und alten Kirchen haben deshalb Geistliche, Küster und auch Gottesdienstteilnehmer mit frostigen Temperaturen zu kämpfen. Was dabei alles passieren kann und was manch einer sich hat einfallen lassen, hat der Tag des Herrn zusammengetragen

Eisige Kälte beherrscht den Dom St. Petri in Bautzen. Die Besucher des Gottesdienstes haben gegen Temperaturen von minus sieben bis acht Grad in der Kirche anzukämpfen. Doch nicht nur sie müssen sich warm anziehen; auch Pfarrer Alexander Ziegert hat schon einige Erfahrungen mit den frostigen Temperaturen gesammelt. So sei nicht nur das Wasser im Weihwasserbecken eingefroren, berichtet Küster Andreas Neck, sondern "es gab auch schon eiskalte Begegnungen der Wasser- und Weinkännchen mit dem Metalltablett". Die Kännchen, die auf dem Tablett angefroren waren, bereiteten dem Pfarrer einige Probleme zumal er sich gerade die Hände gewaschen hatte. Aus diesem Ereignis wurde jedoch eine Lehre gezogen: Die Kännchen werden jetzt vor der Messe in heißem Wasser angewärmt

"Auch alle Blumen sind - prophylaktisch vor einem Kälteschock - aus der Kirche entfernt worden", erzählt Andreas Neck. Um dem Kältetod der Gottesdienstbesucher vorzubeugen, werden als weitere Maßnahmen weniger Strophen gesungen und die Predigt kürzer gefaßt. "Ansonsten feiern wir die Messen in der Woche in der Sakristei, da uns dort ein Nachtspeicherofen wärmen kann", berichtet Andreas Neck. Dort sei es wesentlich angenehmer, als in der Kirche. Denn da sei die Funktion der unter den Bänken ansässigen Heizröhren eher "symbolisch"

Doch nicht nur in diesen Tagen haben die Bautzener Gläubigen mit der Kälte zu kämpfen. Auch in früheren Zeiten mußte man sich gegen den Winter wappnen. Daß beweist ein außergewöhnliches Ausstellungsstück im Domschatz: ein doppelwandiger Kelch, der wie eine Thermoskanne funktioniert. Das bedeutet: heißes Wasser in den äußeren Hohlraum mit Stöpsel verschlossen und schon findet man auf Wasser oder Wein keine Eisschicht mehr

Doch nicht nur in Bautzen erzittern die Menschen vor dem Frost. Auch auf der Huysburg hat man sich auf die klirrenden Temperaturen eingestellt: "Jeder, der zu uns kommt, erhält nach der Messe ein heißes Getränk", erzählt Pater Athanasius Polag. "So können sie heißen Herzens nach Hause gehen", scherzt er. Aber ein heißer Tee genügt nicht immer. Die Zahl der Gottesdienstbesucher auf der Huysburg ist um ein Drittel zurückgegangen. "Vorwiegend ältere Leute kommen aus Angst vor der Glätte nicht zu uns", sagt Pater Athanasius. Auf altbewährte und allseits bekannte Kälteschutzmaßnahmen greift man auch auf der Huysburg zurück: die Mönche verzichten auf einige gregorianischen Gesänge "um der Leute Willen", erzählt er verschmizt

Im Erfurter Dom herrschen angenehm winterliche minus sechs Grad. Domküster Thomas Holleczek: Dauerbesucher wären enttäuscht, wenn dem nicht so wäre. Man zieht sich ja nicht umsonst vier Pullover übereinander an. Weil der Dom aber überhaupt nicht beheizt werden kann und vier Pullover nicht bis in alle Ewigkeit ausreichen, faßt der Bischof sich kurz, so daß eine Messe in der Regel nicht mehr als 45 Minuten andauert

Es scheint damit, als wären alle Probleme gelöst. Doch was ist mit dem Bekreuzigen beim Eintreten in die Kirche, wenn das Weihwasser eingefroren ist? "Dann muß man eben mit Hilfe der Körperwärme der Hand solange über das Eis reiben, bis diese befeuchtet ist", schlägt Domküster Holleczek vor

Doch etwas Gutes gewinnt ein optimistischer Mensch der Situation immer ab. "Die Kälte wird durch die dicken Mauern des Domes sehr lange gespeichert. Das ist ein Vorteil für die Besucher, die im Hochsommer kommen. Und dann im Herbst ist es länger warm - eben eine völlig ökologische Klimaanlage", so Thomas Holleczek

Doch nicht nur Gottesdienstteilnehmer, Pfarrer und Weihwasserbecken leiden unter den Minusgraden. Auch Kirchenglocken und Orgeln sind arg bedroht. So wird die Gloriosa im Erfurter Dom als bedeutende historische Glocke zur Zeit nicht geläutet. Andere nicht so bedeutende Glocken werden dann ab minus 25 Grad, aus Angst vor Rissen und dünneren Klängen, geschont. Und mehr als drei Minuten Glockengeläut werden wir in diesem Winter - sollte er weiterhin in diesen Kälte-Dimensionen verharren - von den meisten Glocken auch nicht zu hören bekommen

Katharina Funk

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 3 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.01.1997

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