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Bistum Erfurt

Palesch: Ich habe meinen Platz gefunden

Deutsche Pfarrer in Rußland

Tscheljabinsk - früher ein unbedeutender Ort etwa 30 Zugstunden von Moskau entfernt, heute eines der größten Industriezentren. Mehr als 100 000 Deutsche sollen hier gelebt haben. Heute betreuen vier deutsche katholische Priester eine kleine Pfarrgemeinde im Stadtzentrum. Einer von ihnen ist Pfarrer Wilhelm Palesch, der 1992 aus dem Eichsfeld nach Tschelja-binsk ging. In einem Interview für die "Sonntagszeitung" (Bistum Augsburg), das wir leicht gekürzt wiedergeben, berichtet er über seine Erfahrungen

Frage: Was haben Sie hier vorgefunden

Antwort: Zunächst kamen nur alte Frauen und fünf alte Männer in die Kirche. Aber als es sich herumgesprochen hatte, daß es einen deutschen Priester gäbe, wurden es immer mehr. Wir feierten die Messe in einem kleinen Bethaus, das die Gemeinde mit eigenen Händen erbaut hatte. Das Kirchlein steht am Rande einer deutschen Siedlung

Frage: Was sagen die Leute hier und in der Heimat zu Ihrem Einsatz

Antwort: Manche trauen uns nicht. Sie meinen, es müßte doch irgend etwas dahintertstehen, irgendein materielles oder ideologisches Interesse. Und in meiner Heimat, der ehemaligen DDR, versteht man überhaupt nicht, wie man nach der langersehnten Befreiung vom Sowjetsystem sozusagen in die "Höhle des Löwen" gehen kann. Da muß man doch verrückt sein, oder strafversetzt...

Frage: Und wie fühlen Sie sich hier

Antwort: Mit einem Wort: Am Ziel angekommen. Ich habe meinen Platz gefunden

Frage: Sie sind nicht allein hier, sondern leben in einer Gemeinschaft mit drei anderen Priestern. Gibt es soviel Arbeit

Antwort: Abgesehen von den vielfältigen Aufgaben in der Pfarrei betreuen wir noch etliche Außenstellen, oft mehrere hundert Kilometer entfernt, wo wir Gottesdienst halten, Sakramante spenden und Religionsunterricht geben. Es gibt ja ganze Dörfer, die rein deutsch waren, aber jetzt auch langsam von der Auswanderungswelle erfaßt werden. Aber es gibt noch einen Grund für unser gemeinsames Leben. Hier lebt man immer in einer Familie. Wir wollen keinen Individualismus pflegen, sondern christliche Gemeinschaft leben, die in die Gemeinde ausstrahlen kann

Frage: Nun wollen Sie eine neue Kirche bauen

Antwort: Es lag nahe, an eine größere Kirche zu denken. Aber als wir Pläne für eine bescheidenere Konstruktion entworfen haben, waren unsere Leute nicht zufrieden -die Kirche sollte möglichst groß und schön werden, nach dem russischen Sprichwort: "Ein heiliger Ort bleibt nicht allein!" Sie sind überzeugt, daß mit der größeren Kirche auch immer mehr Menschen kommen. Auch die Stadt tat alles, um die Kirche repräsentativ zu gestalten und stellte ein ganz zentral gelegenes Grundstück zur Verfügung. Letzteres mag eine Geste der Versöhnung sein, denn genau an diesem Platz stand eines der berüchtigten Arbeitslager, in dem viele Deutsche umgekommen sind. Jetzt steht die Kirche als architektonisches Schmuckstück mitten in der Stadt und bezeugt, daß es einen Gott über dieser Erde gibt

Interview: Regina Betz

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 3 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.01.1997

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