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Bistum Görlitz

Pfarrhaushälterin in der Stadt ohne Kirchturm

Vorgestellt

Luzie Murlowski hat am 15. Januar ihren 94. Geburtstag gefeiert, gleichzeitig schaut sie auf 40 Jahre als Haushälterin im Dienst von Prälat Augustinus Schubert in Stalinstadt (heute Eisenhüttenstadt), Hoyerswerda, Neuzelle und Wittichenau zurück

"Herr Pfarrer, ich bin eine kranke, verbrauchte und alte Frau", mit diesen Worten beantwortete Luzie Murlowski, heute Wittichenau, im Jahr 1955 die Frage von Pfarrer Augustinus Schubert, ob sie bei ihm die Aufgabe einer Haushälterin übernehmen würde und mit ihm nach Stalinstadt gehen möchte

Die 1953 durch den Bischof neu gegründete Pfarrei Heilig Kreuz war aufzubauen. Es war für Frau Murlowski damals wirklich kein leichter Entschluß, Ja zu diesem Weg zu sagen. In Stalinstadt herrschte ein scharfes, kämpferisch-atheistisches Klima, hatte doch wenige Wochen vorher Walter Ulbricht bei seiner Rede zur Grundsteinlegung des Stahlkombinates Eisenhüttenstadt gesagt: "Diese neue Stadt hat keine und wird auch in Zukunft keine Kirchtürme brauchen.

Wahrlich kein leichtes Unterfangen, in einer solchen Umgebung seine Aufgaben zu sehen und auch zu gestalten. Luzie Murlowski brachte aus ihrer oberschlesischen Heimat neben einem gesunden Durchsetzungsvermögen eine kernige religiöse Frömmigkeit mit, die den rauhen Wind erträglich werden ließ

In ihrem Haushalt ist es noch heute so wie damals: Täglich wird gemeinsam mit allen im Haus wohnenden nach dem Mittagessen die Litanei zum heiligen Josef gebetet. Diese Gebetsgemeinschaft gab sicher die Kraft zum Durchhalten, denn groß und einfallsreich war die Palette der Angriffe, die damals gegen die katholische Kirche und persönlich gegen den Pfarrer und seine Haushälterin gerichtet waren. Mit herzlicher Liebenswürdigkeit und ehrlicher Offenheit eroberten sich beide bald die Herzen der Menschen, sammelten in mühsamen Hausbesuchstouren die Gläubigen, die aus dem gesamten Gebiet der damaligen DDR nach Stalinstadt zur Arbeit kamen und dort eine neue Heimat suchten, darunter auch viele Oberschlesier

Als Pfarrer Schubert 1965 die große Pfarrei in Hoyerswerda übernahm, ging Luzie Murlows-ki mit ihm. Das religiöse Klima wurde dort etwas milder, doch die Aufgaben für die Haushälterin wurden nicht weniger. Nun hatte sie neben dem Pfarrer ein weitaus größeres Haus zu betreuen und stets zwei Kapläne zu allen Mahlzeiten. Mit zäher Energie und oft unter Aufbringung ihrer ganzen Kraft war sie für alle da. Zwar machte sich ihr Asthma immer wieder bemerkbar, doch sie schaffte, was sie sich vorgenommen hatte. Zusammen mit Schubert zog sie auch nach Neuzelle, nachdem er 1976 die dortige Gemeinde übernommen hatte

Seit 1983 lebt Frau Murlowski nun mit Pfarrer Schubert in Wittichenau im Ruhestand und immer noch im Haushalt tätig. Mögen ihr die Lasten des Alters nun nicht zu schwer werden. Bernd Richter

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 3 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.01.1997

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