Gemeinden sollen Option für die Jugend treffen
Jugendpfarrer Riechel zur Jugendarbeit in Thüringen
Pfarrer Stephan Riechel ist seit Sommer 1996 neuer Diözesan-Jugendseelsorger im Bistum Erfurt. Der Tag des Herrn sprach mit ihm über die Situation junger Leute im Land Thüringen und über Aufgaben der Jugendseelsorge. Kürzlich hatten sich die Pfarrgemeinderatsvorsitzenden der Thüringer Diaspora mit der Lage der Jugend in den Gemeinden auseinandergesetzt.
Frage: Herr Pfarrer Riechel, wie erleben sie als neuer Jugendseelsorger die Jugendarbeit im Bistum
Riechel: Die Möglichkeiten kirchlicher Jugendarbeit heute sind äußerst vielfältig. In unserer Diözese bestehen neben den Pfarrjugendgruppen zehn verschiedene Jugendverbände, es gibt offene Jugendtreffs und eine engagierte Jugendsozialarbeit. Wichtig ist auch, daß wir uns in den Jugendringen und Jugendhilfeausschüssen überall im Land für das Wohl der Heranwachsenden einsetzen können
Frage: Trotz guter Möglichkeiten nimmt die Zahl von christlichen Jugendlichen dennoch ab ..
Riechel: Das kann man so pauschal nicht sagen. Nach Einbrüchen bei der Teilnahme an Veranstaltungen in unseren Jugendhäusern in den Jahren 1990/91 haben sich die Zahlen inzwischen stabilisiert und sind sogar am steigen. Das gleiche gilt für die Jugendwallfahrten. Es ist aber richtig, daß die Zahl junger Leute in unseren Ortsgemeinden eher geringer wird. Vor allem dort, wo bisher der Religionsunterricht das einzige Angebot für Kinder und Jugendliche war und dieser jetzt in der Schule stattfindet, bleiben Kinder und Jugendliche dem Gemeindeleben schnell fern.
Frage: Welche Ansatzpunkte sehen sie
Riechel: Es ist zunehmend nötig, daß die Gemeinden eine klare Option für die Kinder und Jugendlichen treffen, wenn sie zu entschiedenen Christen heranwachsen sollen. Das habe ich jetzt den Pfarrgemeinderatsvorsitzenden bei ihrer Jahrestagung deutlich gesagt. Das fängt bei der Bereitstellung von Räumen an und reicht bis zur Notwendigkeit von Ansprechpartnern, die kontinuierlich für die Mädchen und Jungen da sind. Jugendliche brauchen Personen, zu denen sie menschliche Beziehungen aufbauen können. In Zeiten einer zurückgehenden Zahl hauptamtlicher kirchlicher Mitarbeiter sind hier zunehmend die Gemeinden selbst gefordert, nach geeigneten Leuten in ihrer Mitte Ausschau zu halten, die diesen Dienst ehrenamtlich leisten können.
Frage: Wie steht es um das Interesse Jugendlicher am Glauben
Riechel: Jugendliche sind von der Gesellschaft geprägt: Von ihrem Konsumverhalten, aber auch von den Bedrohungen, wie sie etwa von unserem problematischen Arbeitsmarkt ausgehen. Von da aus fragen sie auch schnell nach dem Sinn des Lebens. Und gerade nichtchristliche junge Leute sind manchmal offener für die Frage nach Gott als man so glaubt. Dies wird immer wieder auch bei den Tagen der Orientierung für Schulklassen deutlich, die in unseren Jugendhäusern stattfinden. So gibt es durchaus Chancen, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen.
Frage: Was ist besonders wichtig im Umgang mit jungen Leuten
Riechel: Jugendliche sind durchaus bereit, sich zu engagieren. Aber etliche von ihnen sind schwer auf eine kontinuierliche Mitarbeit festzulegen. Lamentieren darüber bringt nichts. Ich denke, wir müssen uns neben der kontinuierlichen Arbeit mit punktuellen Angeboten darauf einstellen. Also zum Beispiel mit dem Angebot von Gebets-Frühschichten in der Adventszeit, die von erstaunlich vielen Jugendlichen angenommen werden. Oder in dem eine Gemeinde für ein bestimmtes Ereignis ein Theaterstück oder ein Musical einstudiert und viele zum Mittun einlädt.
Frage: In der Sonntagsmesse fehlen die Jugendlichen dann aber doch .
Riechel: Das ist leider war. Und die Gemeinden registrieren hier am frühesten ein Defizit. Es kommt darauf an, Heranwachsende im Gottesdienst zu beteiligen, ihnen Plätze für von ihnen mitgestaltete Eucharistiefeiern und andere Gottesdienste einzuräumen. Traditionelle Formen allein reichen heute nicht mehr. Selbst im Eichsfeld ist zunehmend eine bewußte Entscheidung für das Christsein nötig. Es gilt, Heranwachsende dabei auf alle mögliche Weise zu begleiten
Frage: Woran arbeiten Sie und Ihr Team derzeit besonders
Riechel: Wir bereiten für den 8. Juni die 50. Jugendwallfahrt in Thüringen vor. Dazu soll auch eine Broschüre erscheinen, die die vielfältigen Möglichkeiten der Jugendarbeit in unserem Bistum darstellt und Jugendlichen Orientierung bietet, wo und wie sie sich engagieren können
Interview: Eckhard Pohl
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.01.1997