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Aus der Region

Erfahrungen im Land der Menschenfresser

Bericht eines Missionars auf Zeit

Was stellt sich ein Mitteleuropäer unter Papua-Neuguinea vor? Für viele ist dieses Land eine Insel mit wilden Menschenfressern und dichtem Urwald. Als Stefan Vogel - geboren in Mecklenburg, heute Jurastudent in Dresden, sich entschied - als sogenannter "Missionar auf Zeit" in dieses Land zu gehen, sei er zwar schon über das "Menschenfresserklischee" hinaus gewesen. "Doch ich wußte eigentlich fast gar nichts über das Land", sagt der heute 22jährige

Entsprechend groß war seine Spannung, als er nach 30 Flugstunden - verteilt auf fünf Tage - in der Hauptstadt von Papua-Neuguinea, Port Moresby, landete. Doch schon am Flughafen die erste Überraschung: Von Bruder Fridolin von den Steyler Missionaren, der ihn abholen sollte, weit und breit keine Spur. Die Taxifahrer kannten das Haus der Steyler Missionare nicht und so blieb Stefan Vogel nichts anderes übrig, als erst einmal sitzenzubleiben und darauf zu warten, wie offensichtlich alle hier, daß irgendetwas passiert. Schließlich nach einiger Zeit des Wartens und einigen Telefonaten kam Bruder Fridolin doch noch und holte ihn ab. Die erste Nacht in Papua-Neuguinea verbrachte Stefan Vogel in Port Moresby, in einem mit zwei Meter hohem Stacheldraht umzäunten Haus: Vor einigen Wochen war ein paar Häuser weiter jemand erschossen worden, weil er sein neues Auto nicht schnell genug an die Einbrecher übergab

Am nächsten Tag war Stefan Vogel froh, im Flugzeug zu sitzen. Sein Ziel: Mt. Hagen, eine Stadt mitten im Hochland. Von dort waren des dann nur noch etwa 100 Kilometer per Jeep auf dem zum Teil asphaltierten, zum Teil von Erdrutschen beschädigten Highland Highway bis Mingende, seinem neuen Wohnort für die nächsten zehn Monate

Drei Monate lernte Stefan Vogel die Sprache Pidgin. Dann arbeitete er vor allem auf der Station der Steyler Missionare: auf der Farm, im kleinen Laden oder bei der Buchführung. "Da der Tag nicht so streng eingeteilt ist wie in Deutschland, blieb imnmer etwas Zeit, um mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen." Und so lernte er von ihnen ein paar Worte der lokalen Stammessprache Kuman

Schnell merkte Stefan Vogel, daß die Probleme der Kirche in "Niugini" so sehr verschieden von denen anderer Länder sind. Selbst innerhalb des Landes gibt es sehr unterschiedliche Probleme. In der Enga-Provinz brechen die Stammeskämpfe nicht ab, in Simbu kommt der Hexenglauben wieder auf mit entsprechender Verfolgung der Beschuldigten, Raubüberfälle sind an der Tagesordnung, Polygamie weitverbreitet. "Es sieht oft recht hoffnungslos aus", sagt Stefan Vogel. Nicht nur wirtschaftlich gehe es in dem Land, das sich selbst als "Paradies" bezeichnet, kontinuierlich bergab, auch moralisch wende sich vieles ins Negative. Allein während seines zehnmonatigen Aufenthalts in Mingende wurden auf dem Highway neun Trucks ausgeraubt, zum Teil von Leuten, die Sonntags in der Kirche sitzen

Die meisten Wochenenden verbrachte Stefan Vogel in der Gemeinde Ombono-Koglai, die etwas abgelegen im Busch liegt und bei schlechtem Wetter nur zu Fuß zu erreichen ist. "Je mehr ich von dem Land und seinen Einwohnern erfuhr, umso schwerer wurde mein Verständnis für die Denkweise der Papua", erzählt er heute. "Es blühen Sekten und Splitterkirchen, viele Leute wechseln ab und zu mal ihre Glaubenszugehörigkeit, wenn bei der alten nicht mehr genügend Vorteile herausspringen, oder sie machen ganz einfach eine eigene Kirche auf, die sich aus allen anderen die Vorteile und Rechte heraussucht, die ,Nachteile' - beispielsweise die Monogamie - aber wegläßt. Andere kehren wieder zur katholischen Kirche zurück, weil es am Sonntag in der großen Zahl der Gottesdienstbesucher nicht so auffällt, wenn man gar nichts oder nur ein wenig Kleingeld in die Kollekte wirft.

Einige Wochenenden blieben Stefan Vogel, um die Umgebung mit Wanderungen zu erkunden. Die meisten der nahegelegenen Berge mit einer Höhe von 3000 bis 4500 Meter liegen allerdings schon in einer Zone, in der die Höhenkrankheit kräftig zuschlägt. Auch sonst blieb Stefan Vogel nicht ganz von Krankheiten verschont: "Vor allem anfangs schlugen sich ungeahntes Heimweh durch den Kulturschock schnell in allen möglichen Krankheiten nieder. Öfter habe ich daran gedacht, das nächste Flugzeug nach Hause zu nehmen." Heute aber ist er glücklich, "die ganzen gemachten Erfahrungen nicht verpaßt zu haben"

"Vor allem eines habe ich gelernt", berichtet Stefan Vogel: "Es ist falsch, alles aus unserem europäischen Blickwinkel heraus zu betrachten." Und er erzählt ein Beispiel: "Ein Papua hält uns nämlich für verrückt, wenn wir das Wasser in den Flüssen so verschmutzen, daß wir es nicht mehr trinken können und dann für jeden Liter bezahlen müssen. Genauso wenig versteht ein Papua, warum sich nicht jeder aus seinem eigenen Garten ernährt, sondern lieber alles einkaufen geht. Wir wundern uns demgegenüber über den Papua, der zehn Mark ausgibt, um auf den nächsten Markt zu kommen, auf dem er dann für eine Mark Süßkartoffeln verkauft, die Mark dann als reinen Profit ansieht und wieder ausgibt - für Cola.

Und das Fazit von Stefan Vogel nach zehn Monaten als Missionar auf Zeit in Papua-Neuguinea: "Ich denke, wer den Menschen dort wirklich helfen will, muß hier in Europa anfangen, etwas zu ändern." Und als Beispiel erzählt er von den Kleiderspenden: "Die deutschen Spenden werden an Zwischenhändler verkauft, die sie zu Billigpreisen in Neuguinea verscherbeln und so den dort so wichtigen Markt der Bekleidungsindustrie zerstören. Für umgerechnet zwei Mark kann keine Frau in Neuguinea ein Kleid oder eine Hose nähen. Und so ist die Verarmung vieler durch mangelnden Absatz und nachlassende Motivation zur Arbeit vorprogrammiert.

(tdh)

Voraussetzungen

° Motivation aus dem christlichen Glauben

° der Wunsch, Leben und Arbeiten in den jungen Kirchen der "Einen Welt" kennenzulernen

° vorausgegangene kirchliche Mitarbeit in der Heimatgemeinde

° Bereitschaft zur Mitarbeit und zur Teilnahme am Gemeinschaftsleben in der Missionpfarrei (einfacher Lebensstil)

° Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit Einheimischen

° Initiative und Ausdauer

° angemessene Sprachkenntniss

° Allgemeingesundheit und Tropentauglichkeit

°Alter zwischen 20 und 30 Jahre

° Dauer: wenigstens sechs, meistens zwölf Monate, zuweilen länge

Vereinbarungen

° Der "Missionar auf Zeit " trägt die Flugkosten sowie das Gesundheitsrisiko selbst

° Ein Entgeld für die Mitarbeit wird nicht gezahlt

° Unterkunft und Verpflegung im Einsatzland wird durch die gastgebende Gemeinde gestellt

Vorbereitungen

° Einführung in die soziale und religiöse Situation der "Dritte-Welt-Länder", speziell des vorgesehenen Aufenthaltslandes - durch die Teilnahme an Informationsangeboten und persönliche Lektüre

° Kontakt mit dem Gemeinschaftsleben und der spirituellen Atmosphäre des Missionsordens, bei dem der "Missionar auf Zeit" seinen Einsatz machen will

° bei Bedarf Sprachstudiu

Vom 14. bis 16. Februar findet in Schmiedeberg ein Informationswochenende zum Dienst als "Missionar auf Zeit" statt. Anmeldung über Jugendseelsorge, PSF 530152 in 01291 Dresden (Tel. 03 51 / 3 36 47 17). Nähere Informationen zum Thema "Missionar auf Zeit" gibt es bei den Jugendseelsorgeämtern, bei Bettina Rupp, Neue Kantstr. 1 in 14057 Berlin, oder bei der Steyler AG "Missionare auf Zeit", Dauthendeystr. 25 in 81377 München (Tel. 0 89 / 71 02 40).

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 5 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.02.1997

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