Kleinmachen vor Gott und dem Skilehrer
Geistlicher Ski-Urlaub für Nonnen
Oberhof - "Über den Bahnübergang, rechts und dann nach der ,Alten Blauen Maus' fragen, die kennt jeder in Schmiedefeld", erklärt Pfarrer Dieter Lux knapp und bündig am Telefon seiner Pfarrei St. Helena in Schmalkalden. "Der Betreiber des Skiliftes kennt uns und sagt Ihnen, wo wir auf der Piste stecken", fügt er noch hinzu. So ungewöhnlich wie die Wegbeschreibung, die aus einem Roman von Agatha Christie stammen könnte, ist auch die Veranstaltung, die Pfarrer Lux in diesem Jahr zum 30. Mal in Oberhof durchführt: "Geistliche Skitage für Ordensschwestern.
Die "Alte Blaue Maus" entpuppt sich als Skifahrerpension und die Teilnehmerinnen der geistlichen Skitage sind dem Pistenpersonal seit Jahren bestens bekannt. Denn vor genau 30 Jahren hatte Professor Heinz Schürmann die Idee, geistliche Skitage für Ordensschwestern einzurichten. Der Professor für Exegese des Neuen Testaments am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt hatte von solchen Tagen aus Österreich gehört. Er war der Überzeugung, daß dies auch für Ordensfrauen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein sinnvolles Urlaubsangebot sein könnte. Der damalige Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck war von der Idee begeistert und übertrug Pfarrer Lux die Organisation und Leitung
Mit dem sportbegeisterten Geistlichen konnte kein besserer Übungsleiter gefunden werden. "Pfarrer Lux ist ein ganzer Profi, seinesgleichen gibt es aut der ganzen Welt nicht mehr", sagt Schwester Daniela Gärtner, Schwester von der Heiligen Elisabeth aus Halle, beim Mittagessen in der Skifahrerjause an der oberen Liftstation. Der sonnengebräunte Kursleiter wehrt bescheiden ab, doch die Fakten sprechen für sich, auch wenn er trotz Drängen der Schwestern mit seinen Siegen nicht herausrücken will. Pfarrer Lux war jahrelang im alpinen Wettkampf-sport aktiv und als Übungsleiter für Skisport in Pfarreien tätig. Und seit 30 Jahren ist er sportlicher und geistiger Leiter der Skitage für Ordensschwestern
Zu DDR-Zeiten waren diese Tage eine offizielle Veranstaltung, zu der Dresdner Weihbischof Georg Weinhold ordnungsgemäß einlud. Mit der "Wende" ging der offizielle Charakter zwar verloren, dafür hat sich das Aktionsgebiet der Teilnehmerinnen jedoch sehr erweitert. Nach der "Wende" verbrachte man die geistlichen Skitage schon zweimal in Krainau unterhalb der Zugspitze
Alle acht Schwestern des diesjährigen Kurses sind alte "Skihasen", die bei Pfarrer Lux durch eine "harte und fordernde Schule" gegangen sind. "Gelobt sei, was hart macht" und "Klein machen vor Gott und dem Skilehrer", das ist das jeweilige Motto des Kurses, erzählt Schwester Maria Verena Kraus von den Fuldaer V../../incentinerinnen mit einem leichten Schmunzeln
Auf die zweiwöchige Gemeinschaft freuen sich die Schwestern das ganze Jahr. In den drei Jahrzehnten hat man viel Lustiges erlebt, es hat aber auch Brüche, erfrorene Ohren und Schwierigkeiten mit der Volkspolizei gegeben. In den 70er Jahren hatte die Gruppe einen mobilen Lift konstruiert und diesen mit einem Wartburg zur Golfwiese bei Oberhof geschafft und aufgebaut. Der Motor mit dem 300 Meter langen Seil rief die Volkspolizei auf den Plan, die die "öffentliche Ordnung" gestört sah und das "Ärgernis" beschlagnahmte. In Oberhof ging darauf das Gerücht um, man habe Pfarrer Lux verhaftet
Probleme mit den Ordensleitungen gibt es für die Schwestern nicht. Denn auch für die geistliche Betreuung ist durch Schriftkreis, geistliche Gespräche und den täglichen Gottesdienst gesorgt. Bei der Rückkehr werden die meisten Schwestern jedoch mit den Worten "Gott sei Dank! Du bist wieder heil und ganz zurück!" begrüßt. Sportunfälle werden im Orden anders bewertet als Hausunfälle, hat man in den Jahren erfahren müssen
Den aus dem Riesengebirge stammenden und seit 56 Jahren aktiv Wintersport betreibenden Pfarrer Lux freut besonders, daß man eine enorme Leistungssteigerung erfahren habe und vor allem durchgehalten hat. Das österreichische Vorbild sei vor vielen Jahren gestorben, die geistlichen Skitage in Oberhof und Umgebung erfahren dagegen bis heute großen Zuspruch
Neben der sportlichen und geistlichen Betreuung steht die Gemeinschaft, die über die Jahre gewachsen ist. Kein Kurs, der nicht mit lustigen Anekdoten - Lux nennt sie Stories - verbunden ist. Dieses Jahr war es ein Auftritt der Schwestern in einem Beitrag des Mitteldeutschen Rundfunks. Ein MDR-Fernsehteam tauchte auf der Piste auf und suchte Skifahrer, die in einem Motorskibord mitfahren wollten. Die sportlichen Ordensfrauen waren sofort dabei. Als die Redakteurin vom Bediener des Skilifts erfuhr, daß es sich um Ordensfrauen handelte, wollte sie ihren Ohren nicht trauen und mußte ihr Bild von Ordensangehörigen gründlich revidieren. Denn weltfremd und humorlos, wie sie dachte, sind Ordensleute nicht
Auf die Frage: Wie sich die geistlichen Skitage mit der Ordenszugehörigkeit vereinbaren, antwortete Pfarrer Lux: "Geist und Seele gehören eben zusammen! Bei den geistlichen Skitagen wird dies besonders deutlich."
Carsten Kießwetter
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 02.02.1997