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Bistum Magdeburg

Allein zwischen Rentnern

Geistliche Angebote für Kinder in der Diaspora

Magdeburg - "Müssen wir schon wieder in die Kirche?" Die Mundwinkel der neunjährigen Lioba hängen immer häufiger auf Halbmast, wenn ihre Eltern sie und den vierjährigen Bruder in den Sonntagsgottesdienst mitnehmen wollen. Lioba und ihr Bruder sind in der kleinen Außenstationskirche meistens die einzigen Kinder

In der Abteilung für Kinderseelsorge des Magdeburger Ordinariates macht man sich seit einiger Zeit schon über Lioba und andere Kinder in ähnlicher Situation Gedanken: Wie könnte man ihnen dabei helfen, in ihre Gemeinde hineinzuwachsen? Was muß geschehen, damit sie den christlichen Glauben besser kennen- und vielleicht sogar lieben lernen

"Die Kinder brauchen Gemeinschaftserlebnisse, Höhepunkte, von denen sie eine zeitlang zehren können", sagt Amalia Christl, die Leiterin der Abteilung Kinderseelsorge. Die Kinderwallfahrten und auch die Kinderwochenenden in Roßbach, dem Jugendhaus der Diözese, sollen deshalb fortan besonders auf diejenigen ausgerichtet sein, die in ihrem Heimatort keine gleichaltrigen katholischen Kinder fänden

Viele von ihnen könnten nicht regelmäßig zu Religionsunterricht oder Kindergruppen kommen, zum Beispiel weil den berufstätigen Eltern Zeit und Kraft fehlt, ihre Kinder hin- und herzufahren. Mit den Bistumsangeboten wolle das Ordinariat den Gemeinden keineswegs Konkurrenz machen, sondern ihre Arbeit ergänzen und unterstützen, betont Amalia Christl. "Nehmt die Freude, die ihr hier erfahren habt, mit in eure Gemeinden", sagt sie deshalb häufig zu Kindern, die nach einem Roßbach-Wochenende am liebsten gar nicht wieder nach Hause möchten. Immer mehr Gemeinden mit großem Einzugsgebiet führten selbst Kindertage oder -wochenenden durch. Die Kinderseelsorge-Abteilungsleiterin begrüßt das sehr. Die Jungen und Mädchen lernten sich dabei besser kennen als bei den sonst üblichen wöchentlichen Kurzzusammenkünften, ihr Glaube werde ihnen anders als im Religionsunterricht nicht nur über den Verstand, sondern auch spielerisch und über die Sinne nahegebracht

Eine Aufgabe sieht die Kinderseelsorge-Abteilung deshalb darin, Gemeindemitglieder fortzubilden, die in ihrer Gemeinde kindgemäße Wortgottesdienste gestalten, Kindergruppen leiten oder ehrenamtlich andere Angebote für die Kinder schaffen wollen. Unter anderem gibt es mehrmals im Jahr Kurse für Mütter und Väter, die in ihrer Pfarrkirche oder Außenstation Familiengottesdienste vorbereiten

Die Eltern und Großeltern wollen die Mitarbeiter der Kinderpastoral auch auf andere Weise immer mehr mit in den Blick nehmen. "Wir können nicht an den Äpfeln polieren, ohne an die Wurzeln zu denken", meint Frau Christl. Von den Gemeinden wird sie immer wieder zu Elternabenden eingeladen, bei denen es um Themen religiöser Kindererziehung geht

Im Juni wird in Roßbach ein Begegnungswochenende für Familien stattfinden, das künftig jedes Jahr auf dem Programm stehen soll. Ein Wochenende, bei dem man in Gemeinschaft Glaubenserfahrungen machen und sich darüber austauschen kann, sei für viele Paare ein Stück Erholung, glaubt die Kinderseelsorgerin

Sie kann sich in die schwierige Situation vieler Familien gut hineinversetzen: Wenn der Vater beispielsweise wegen seiner Arbeit nur am Wochenende bei der Familie ist und sonntags die einzige Gelegenheit zum gemeinsamen Frühstück bestehe, könne sogar die Sonntagsmesse zur Belastung werden. Viele Eltern leisteten dennoch bewundernswerten Einsatz. Amalia Christl nennt das Beispiel einer evangelischen Mutter, die ihre katholischen Kindern über weite Strecken zu unterschiedlichsten Kirchenveranstaltungen fährt

Kirche dürfe mit ihren Anforderungen nicht an der Lebenssituation der Familien vorbeigehen, sagt Frau Christl. Allerdings müsse deutlich werden, daß die religiöse Erziehung trotz veränderter Familien- und Gesellschaftsstrukturen und wachsender Vereinzelung der christlichen Familien nicht der Beliebigkeit überlassen bleiben könne. Um diese Erkenntnis mit Leben zu füllen, bedürfe es noch vieler Gespräche und Überlegungen im Ordinariat, aber auch in den Familien und Gemeinden. Amalia Christl regt Mütter und Väter an, sich als erstes wieder einmal die Frage zu stellen, was ihnen die Kirche wert sei

Es sei bedenklich, daß so viele Kinder für ihre Musikgruppe oder ihren Sportclub mehr Einsatz leisten als für ihre "Lebenssinn-Gemeinschaft". "Was mir etwas wert ist, da hinein investiere ich auch", glaubt sie. Kinder entwickelten das Gefühl für Wertigkeiten zum großen Teil in ihrer Familie. Dorothee Wanze

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 47. Jahrgangs (im Jahr 1997).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.02.1997

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